Die AfD will ihre Beziehungen zur »Identitären Bewegung« diskret pflegen

Die Unzertrennlichen

Die AfD will ihre Verbindungen zur »Identitären Bewegung« nicht kappen, sondern verbergen. Das klappt nicht immer.

Als Roger Beckamp, AfD-Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag, in Halle an der Saale eintraf, dürfte ihm aufgefallen sein, dass sein Plan, heimlich in die sachsen-anhaltische Stadt zu kommen, nicht aufgegangen war. Vor dem Altbau in der Adam-Kuckhoff-Straße 16, von dem bereits der Putz bröckelt und dessen Türen Löcher haben, standen rund 150 Anwohner und Studierende. Die Studierenden hatten es nicht weit, der geisteswissenschaftliche Campus der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg ist nahe. Sie hatten auch nicht viel Zeit, um sich zu versammeln – erst kurz bevor Beckamp losfuhr, erfuhren politische Gruppen in Halle, dass etwas in dem hässlichen Haus nahe der Universität passieren werde.

Götz Kubitscheks Verlag Antaios hatte dorthin eingeladen. Der neurechte ­Verleger wirkte ungewohnt bedrückt, als er Essen verteilende Anwohner und laut Protestierende passieren musste. Der sachsen-anhaltische AfD-Landtagsabgeordnete Hans-Thomas Tillschneider war zusammen mit Beckamp als Diskutant geladen, ihr Thema ist so brisant für die AfD, dass man sich klandestin treffen wollte. »Die Veranstaltung wird ausschließlich intern beworben«, hieß es auf der Einladung. Es ging um die drohende Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz.

Zunächst versuchte Beckamp, der ­einen Kameramann mitgebracht hatte, Journalisten bei ihrer Arbeit zu behindern. Er drängte sich vor die Objektive, hielt sein Mikrophon vor Gesichter. Auf namentliche Ansprache und Fragen reagierte er nervös. Bei der Frage nach dem Unvereinbarkeitsbeschluss, der die AfD von der »Identitären Bewegung« (IB) abgrenzen soll, wollte er nochmals die Namen und Auftraggeber der Journalisten wissen und verschwand ins Haus. Am Eingang grüßten Jan Scharf und Andreas Karsten, zwei bundesweit bekannte IB-Funktionäre aus Halle.

Karsten ist wie viele Identitäre Kampf­sportler, er nahm im April mit zwei ­IB-Kameraden am Kampfsportfestival »Schild und Schwert« des Thüringer Neonazis und NPD-Funktionärs Thorsten Heise in Ostritz teil. Das war ein Novum, normalerweise bemüht sich die völkische Gruppe wenigstens in der Öffentlichkeit um Abgrenzung vom Neonazismus. Karsten stand im vergangenen Jahr wegen Körperverletzung vor Gericht, doch gegen eine Geldbuße wurde das Verfahren eingestellt.

Nach dem Vortrag in Halle fragte der WDR bei der AfD-Pressestelle nach, was der Grund für Beckamps Teilnahme gewesen sei. Die Pressestelle behauptete, der Abgeordnete habe für eine Dokumentationsreihe gefilmt und sei in Halle gewesen, um ein provokatives Video zu drehen – eine wenig glaubhafte Darstellung. Beckamp ist nicht der ­erste Abgeordnete der AfD, der bei den Identitären in Halle auftritt. Im Mai 2018 sprach der Bundestagabgeordnete Frank Pasemann dort mit AfD-Kollegen über eine Syrien-Reise, ebenfalls im Rahmen des »Staatspolitischen Salons« des Antaios-Verlags.

Noch am 14. September hatte Hans-Thomas Tillschneider eine Entflechtung von Partei und Identitären gefordert und angekündigt, sein Büro in ­deren Haus zu schließen, aber »in Freundschaft« mit den Rechtsextremen auseinanderzugehen (Jungle World 42/2018). Außerdem hatte er angekündigt, die Patriotische Plattform in der AfD auflösen, die in den Fokus des Verfassungsschutzes geraten ist – das alles aber »ohne einen Millimeter (seiner) Überzeugungen preiszugeben«. Tillschneider ist seit Jahren vehementer Fürsprecher der IB, in einem kürzlich erschienenen Beitrag in der ARD-Sendung »Die Story« verwahrte er sich gegen die Beobachtung der Gruppe durch den Verfassungsschutz und ließ die Identitären-Sticker auf seinen ­Geschäftsordnern filmen.

Das Haus der IB in Halle, in dem Tillschneider bislang sein Büro hatte, gibt es nur dank der AfD. Der hessische Parteifunktionär Andreas Lichert, ein ­gescheiterter Bundestagskandidat, hatte mit der Titurel-Stiftung, als deren Ansprechpartner er auf deren Homepage genannt wird, das Grundstück mit Altbau für 330 000 Euro gekauft und an die völkische Initiative »Ein Prozent« vermietet, die sich im ­Wesentlichen mit der halleschen IB deckt.

Das ehemalige FDP-Mitglied Lichert bemüht sich um die Zusammenarbeit von AfD, Neuen Rechten und Identitären, von den Rechtsextremen distanziert er sich nicht. Die Titurel-Stiftung fördert das im Rittergut von Götz ­Kubitschek ansässige Institut für Staatspolitik (IfS), Lichert ist Vorsitzender des Vereins für Staatspolitik. Mittlerweile strebt der Netzwerker nach ­einem Sitz im hessischen Landtag, sein Versuch, in den Vorstand der Landespartei zu kommen, scheiterte im Dezember 2017.

Zur Eröffnung des Hausprojekts am 11. Juli 2017 standen AfD und Identitäre gemeinsam auf der Straße, anwesend waren unter anderem Götz Kubitschek, die AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Thomas Tillschneider, ­Hagen Kohl und Jan Wenzel Schmidt sowie Jörg Dittus. Letzterer ist schon lange bei den Identitären, unter dem Anführer der österreichischen IB, ­Martin Sellner, arbeitete er in Österreich für den »Verein für nachhaltige Völkerverständigung und Jugendarbeit« der Identitären als Kassenwart. Der Verein betrieb das Spendenkonto der IB in Österreich. 2016 kam Dittus ­gemeinsam mit Sellner nach Halle, als gruppenbildende Maßnahme gab es eine gemeinsame Aktion mit örtlichen Aktivisten. Später zog Dittus aus der Steiermark in die ostdeutsche Großstadt, begann für den Antaios-Verlag im Haus der Identitären zu arbeiten, betreute den Verlagsstand auf der dies­jährigen Leipziger Buchmesse und war bei vielen Aktionen dabei. Seit kurzem soll der IB-Kader einen Posten im Landtag von Sachsen-Anhalt haben – beim parlamentarischen Geschäftsführer der AfD-Fraktion Robert Farle. Auch bei der »Pro Chemnitz«-Demonstration und der eskalierten AfD-Demonstration in Chemnitz war Dittus mit seinen Identitären dabei und blieb bis zum Schluss, als erneut 400 Rechtsextreme auf die Polizei losgingen, um zum Tatort durchzubrechen.

»Identitäre Bewegung«, AfD und Neue Rechte bilden ein weitverzweigtes Netz, das für seine Konstrukteure nicht mehr aufzulösen ist. Sie sind aufeinander angewiesen.

IB, AfD und Neue Rechte bilden ein weitverzweigtes Netz, das für seine Konstrukteure nicht mehr zu aufzulösen ist. Sie sind aufeinander angewiesen. Die Identitären pöbeln für die AfD auf deren Kundgebungen, treten als Musiker bei Parteiveranstaltungen auf und arbeiten für deren Abgeordnete. Sie stellen Veranstaltungsräume, arbeiten als inoffizielle Jugendgruppe, produzieren massentaugliches Material für die Partei und agitieren in sozialen ­Medien. Mit Bot-Netzwerken, Apps, viralen Videos und subversiven Aktionen will die Gruppe vor allem unter Jugendlichen Nachwuchs für die deutsche ­extreme Rechte gewinnen.

Die Identitären sind abhängig von der Finanzierung durch AfD-nahe ­Stiftungen, vom Gehalt als Fraktionsmitarbeiter und dem Schutz der Parteibüros. Götz Kubitschek, sein Verlag und das Institut für Staatspolitik liefern den ideologischen Überbau für AfD und IB und dienen den Identitären auch als zusätzliche Einnahmequelle. Durch Buchverkäufe und Mitarbeiterstellen wird die Gruppe finanziell ­unterstützt. Diese gegenseitige Abhängigkeit ist auch angesichts der drohenden Überwachung durch den Verfassungsschutz nicht ohne Weiteres auf­zulösen. Dass es überhaupt ernste ­Bestrebungen gibt, die Verbindung zu kappen, ist unwahrscheinlich. Das rechte Netz versucht vielmehr, die Verbindungen besser zu verbergen.

Dieser Artikel wurde am 8. November 2018 um 12 Uhr 58 aktualisiert.