Alternative soziale Netzwerke geben Rechtsextremen eine Plattform

Open Source für Nazis

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Für Gab läuft es dennoch nicht rund. Bereits im Sommer hatte das Unternehmen große Probleme. Prominente wie Yiannopoulos hatten monatelang nichts gepostet, 43 Prozent der User folgen niemandem, außerdem hatte ­Microsoft Gab gezwungen, einen antisemitischen Userbeitrag zu löschen. Nach dem Attentat von Pittsburgh ging die Plattform sogar kurzfristig offline, der Provider hatte ihr gekündigt. Erst am Sonntag war Gab wieder online. Als Registrar hatte sich ein Unternehmen namens Epik gefunden. Torba kündigte den Neustart ausgerechnet mit einer Nachricht an, die erstaunliche Parallelen zu Bowers’ Ansichten aufweist. Der hatte sich nämlich auf Gab mehrmals gegen populäre Verschwörungstheorien wie Pizzagate und Qanon ausgesprochen, vermutlich, weil sie nicht vorrangig antisemitisch sind. Torba schrieb nun: »Ich würde laut loslachen, wenn die Pizzagate-Anhänger von Twitter verbannt würden und dann keine Plattform mehr hätten. Würde sich dann überhaupt noch jemand um das kümmern, was sie sagen? Ver­mutlich nicht. Jeder mit einem IQ über 85 weiß ohnehin, dass Pizzagate Betrug ist.«

Bei Gab firmiert der Hass unter Meinungsfreiheit. Und so herrschte eine Stunde, nachdem die Plattform wieder online war, business as usual. Unter ­einem Foto von blonden Kindern postete ein Nutzer: »Das ist es, was die ­Juden zerstören wollen.«

Dass die Qanon-Verschwörungstheorie von Alt-Rightlern wie Breitbart und Alex Jones’ Infowars abgelehnt wird, ist nicht weiter verwunderlich. Zum einen ist das Verbreiten von Hass und Hetze ein Konkurrenzgeschäft. Die Einnahmen in Millionenhöhe möchte man nicht mit anonymen Konkurrenten ­teilen, auf deren Botschaften man keinerlei Einfluss hat. Zum anderen hat Qanon zwar in nur wenigen Monaten weltweit Zigtausende Fans und Unterstützer gewonnen, die die kryptischen Botschaften von der bevorstehenden Inhaftierungs- und Hinrichtungswelle unter der globalen Elite verbreiten. Aber die Qanon-Massen werden sich nicht unendlich lange mit Versprechungen hinhalten lassen. Seit einem Jahr wird ihnen immer wieder ver­sichert, dass Hillary Clinton und Barack Obama nun aber wirklich ganz bestimmt bald in Handschellen nach Guantanamo Bay gebracht würden. Doch immer wieder verstreicht der genannte Termin ohne die ersehnten Bilder von Soldaten, die demokratische Politiker und liberale Journalisten abführen.

Torba hat mit seiner Pizzagate-Bemerkung einen Punkt getroffen: Die von der Alt-Right so gehassten, angeblich zensierenden Marktführer wie Twitter und Facebook unternehmen noch immer kaum etwas, um Hass und Hetze zu unterbinden. Vor allem antisemitische Karikaturen und Drohungen werden oft nur so gesperrt, dass sie lediglich für deutsche Nutzer nicht mehr sichtbar sind. Nachdem am vergangen Wochenende eine Synagoge in Brooklyn mit judenfeindlichen Sprüchen beschmiert wurde, schaffte es eine der Parolen als Hashtag #Killalljews bei Twitter in die US-Toptrends.

Bei Gab firmiert der Hass unter Meinungsfreiheit. Und so herrschte eine Stunde, nachdem die Plattform wieder online war, business as usual. Unter ­einem Foto von blonden Kindern postete ein Nutzer: »Das ist es, was die ­Juden zerstören wollen.« Ein anderer forderte: »Betet für alle die Weißen, deren Nationen langsam von den Juden und ihren Importen aus der Dritten Welt zerstört werden.« Das seien sicher nur Provokateure, hieß es dazu bei Gabs Registrar Epik. Mit dem US-amerikanischen Alt-Rightler Christopher Cantwell hatte sich auch wieder ein verifizierter Account mit einem Kommentar eingefunden, der auf der Seite als »popular post« angezeigt wurde. »Hey Juden, wir sind wieder zurück auf Gab. Danke für das Presseecho, sehr bald wird der Durchschnittsbürger herausfinden, dass wir alle diese Probleme nicht hätten, wenn ihr abwesend wärt«, schrieb er. Bei der rechten ­Demonstration in Charlottesville 2017, wo es zu einem tödlichen Angriff auf die Gegendemonstrantin Heather Heyer kam, war Cantwell dabei gefilmt worden, wie er Gegendemonstranten attackierte. Anschließend wurde er als der »crying Nazi« landesweit bekannt: Unter Tränen sagte er, unschuldige Nazis würden von ihren blutrünstigen Gegnern tyrannisiert.