Tories und Labour streiten über den »Brexit«-Vertragsentwurf

Rebellion gegen Theresa May

Als Tory-Hardliner sich gegen das von ihrer Parteiführung aus­gehandelte Abkommen zum Ausstieg aus der EU stellten, warnte die britische Premierministerin Theresa May vor einem »Putsch«. Aber die größten Probleme hat sie noch vor sich.

Die Rhetorik in britischen Medien war heftig. Von einem »Putsch« gegen Premierministerin Theresa May war die Rede, von einem »Tag der Abrechnung«, der am Montag stattfinden sollte. Was war geschehen?

May gehört zu jenem Teil der Konservativen Partei, der einen Vertrag über den Austritt aus der EU als ein notwendiges Übel sieht, um einen »hard Brexit« am vorgesehenen Datum, dem 29. März 2019, zu vermeiden – also einen Austritt Großbritanniens aus der EU ohne Vertrag mit unabsehbaren wirtschaftlichen und sozialen Schäden. Vorige Woche legte May schließlich einen mit der EU ausgehandelten, knapp 600 Seiten umfassenden Vertrags­entwurf vor; er wurde im Kabinett bestätigt. Kaum zwölf Stunden später traten ihr Minister für den EU-Austritt, Dominic Raab, ein weiterer Minister und zwei Staatssekretäre zurück.

Abgeordnete aller Couleur kündigten an, im Parlament, das sich eine Abstimmung über die Modalitäten des EU-Austritts vorbehalten hat, gegen den Vertragsentwurf zu stimmen. Und die Befürworter eines »harten Brexit« unter den Tories begannen, in der Fraktion Stimmen für ein Misstrauensvotum gegen May zu sammeln.

Vor dem britischen Unternehmerverband CBI erklärte Jeremy Corbyn, der Vorsitzende der Labour-Partei: »Wir haben einen alternativen Plan für einen vernünftigen ›Jobs-first-Brexit‹.«

Der Vertragsentwurf sieht vor, dass Großbritannien nach dem geplanten Austritt aus der EU Ende März 2019 eine Frist bis Ende 2020 zur Aushandlung eines Handelsabkommens mit der EU erhält und dass diese Übergangsperiode noch verlängert werden kann, nach Medienberichten bis Ende 2022. In dieser Zeit müsste das Vereinigte Königreich die gleichen Pflichten wie derzeit als EU-Mitglied erfüllen, hätte aber ­keine Mitspracherechte mehr in den EU-Institutionen. Wenn in dieser Übergangsphase kein Handelsabkommen erzielt werden kann, das eine offene Grenze zwischen Irland und Nordirland garantiert, tritt eine Notlösung, der sogenannte backstop, in Kraft, um eine »harte Grenze« zwischen dem EU-Mitglied Irland und Nordirland als Teil des Vereinigten Königreichs zu verhindern. Dabei würde Großbritannien eine Zollunion mit der EU eingehen, die nur bilateral, im Einvernehmen mit der EU, wieder aufgelöst werden kann. In dieser Zeit könnte Großbritannien als Mitglied der Zollunion keine neuen Freihandelsabkommen etwa mit den USA abschließen.

Dieser Kompromiss mit der EU erschien den Befürwortern eines »harten Brexit« als Verrat. Der zurückgetretene Minister Dominic Raab forderte, die britische Regierung solle zurück an den Verhandlungstisch, um einen Mechanismus für einen unilateralen Rückzug aus dem backstop auszuhandeln. ­Sollte die EU das verweigern, müsste ein »sauberer Bruch« stattfinden – ein »harter Brexit« ohne Vertrag. Der exzentrische Jacob Rees-Mogg von der European Research Group, einer Gruppe europaskeptischer Tory-Abgeordneter, kündigte auf einer Pressekonferenz an, er werde einen Brief zum Zwecke eines Misstrauensvotums gegen May verfassen, und forderte an­dere Tory-Abgeordnete auf, es ihm gleichzutun. Am Sonntag warnte May vor einem »Putsch«.

Um ein Misstrauensvotum zu initiieren, müssen mindestens 48 Parlamentsmitglieder ihren Vertrauensverlust schriftlich dem sogenannten 1922-Komitee mitteilen. Der Vorsitzende des Komitees kann daraufhin ein Votum anberaumen. Britischen Medeinberichten zufolge lagen am Montag angeblich 42 solcher Briefe vor, doch am Dienstag war klar, dass die erforderliche Anzahl von 48 nicht zustandegekommen war. Der »Putsch« der Tory-Hardliner ist vorläufig gescheitert.