Ausschreitungen bei Protesten der »Gelben Westen« in Paris

Ungesteuert gegen Steuern

Die Bewegung der »Gelben Westen« bleibt politisch heterogen.

Es könnte Stärke oder Schwäche bedeuten. Die Protestbewegung der gilets jaunes, der »Gelben Westen«, die landesweit mit Blockaden gegen Treibstoffsteuererhöhungen auf sich aufmerksam gemacht hatte und bislang politisch heterogen und diffus aufgetreten war, präsentierte am Montag offiziell acht Sprecherinnen und Sprecher und einen Forderungskatalog. Dies hatte ein Pressekom­muniqué angekündigt, nachdem sich einige der Initiatoren der Protestbe­wegung versammelt und ihre Sympathisanten per Facebook konsultiert hatten. Aus Regionen wie dem Raum Toulouse oder der Bretagne gibt es ­jedoch bereits Kritik an den »selbsternannten Anführern«.

Unter den Protestierenden waren Neurentner, Krankenschwestern und -pfleger, Lohnabhängige, die geringe Einkommen beziehen und die gerade von Gewerkschaften zum Protest gegen eine drohende »Gesundheitsreform« mobilisiert werden, sowie Freiberufler, für die sich ihre Anfahrt zu Patienten wegen der Treibstoffsteueranhebung verteuert.

Der Forderungskatalog spiegelt unterschiedliche Interessen wider. Konsens stiften dürfte unter den Unzufriedenen das Anliegen, den als behäbig geltenden Senat – das parlamentarische Oberhaus – abzuschaffen, um Geld einzusparen, sowie »alle Steuern und Abgaben mit dem Ziel ihrer Senkung zu überprüfen«. Gefordert wird auch pauschal die »Senkung der Abgaben für die Unternehmer«, was nicht unbedingt im Interesse der Lohnabhängigen ist. Zugleich soll es zu einer »Anhebung der Löhne und der Renten« kommen. In ­ihrer Gesamtheit dürften diese Vorstellungen kaum stimmig sein, doch ­zunächst könnten sie Einigkeit in der Bewegung stiften. Über die Forderungen soll in einem Referendum abgestimmt werden.

Zu den mittlerweile prominentesten Exponenten der gilets jaunes zählen zwei Personen, die im Département Seine-et-Marne östlich von Paris wohnen. Sind für einen großen Teil der Inhalte von Nachrichtenlisten verantwortlich, in die man sich per Facebook eintragen kann. Ihr Profil ist allerdings unterschiedlich. Eric Drouet fiel in sozialen Netzwerken bislang eher durch rechtslastige Sprüche auf. Der weiße Franzose forderte im Juni dieses Jahres von Prä­sident Emmanuel Macron, »die Milliardenkosten der Einwanderung« zu senken, die »eine Schande« seien, und unterstützte migrantenfeindliche Aufmärsche in Calais. Die andere Person, Priscillia Ludosky, ist vor ihrem Enga­gement bei den Gelben Westen politisch nicht in Erscheinung getreten und ist eine schwarze Französin aus der Karibik. Beide sind nun offizielle Bewegungssprecher.

Landesweit demonstrierten am Wochenende rund 100 000 Menschen, in Paris nach Staatsangaben mindestens 9 000. Ein unter anderem von Drouet weiterverbreiteter Appell hatte nach den Verkehrsblockaden am vorvergangenen Wochenende zu einem »zweiten Akt« in der Hauptstadt aufgerufen. Parallel dazu wurde ein anderer Aufruf publik, den Frank Buhler initiiert hatte. Er ist der Regionalbeauftragte der rechtsnationalistischen Kleinpartei Debout la France von Nicolas Dupont-­Aignan. Zuvor war wegen rassistischer Sprüche bei Facebook seine Mitgliedschaft beim Rassemblement National suspendiert worden.

Unter den Protestierenden in Paris fielen vor allem zwei Gruppen auf: Neurentner, die nach ihrer Pensionierung über deutlich weniger Geld ver­fügen und Krankenschwestern und -pfleger, darunter Lohnabhängige, die geringe Einkommen beziehen und die gerade von Gewerkschaften zum Protest gegen eine drohende »Gesundheitsreform« mobilisiert werden, sowie Freiberufler, für die sich ihre Anfahrt zu Patienten wegen der Treibstoffsteueranhebung verteuert. Auch politische Gruppen waren vertreten, jedoch ohne die Bewegung zu steuern oder zu koordinieren. Autonome und Insurrektionalisten errichteten Barrikaden und verursachten Sachschäden etwa beim Luxuswarenhersteller Dior, während am anderen Ende der Champs-Elysées rechtsextreme Militante unter anderem von der katholisch-faschistischen Gruppierung Civitas die Auseinandersetzung mit der Polizei suchten. Insgesamt gab es 101 Festnahmen.
Die politische Ausrichtung und die Inhalte der Proteste unterscheiden sich auch im Rest des Landes.

Vielerorts dominieren soziale Anliegen. Im nordfranzösischen Flixecourt dagegen brüsteten sich Teilnehmer einer Verkehrsblockade der »Gelben Westen« damit, sie hätten illegale Migranten aufgespürt und diese der Polizei übergeben – man sei »effizienter als die Zollfahndung« gewesen. Die Gewerkschaft der Zollbeamten erstattete wegen rassistischer Aufhetzung Strafanzeige.