Kritische Astrologie - Der Aktienmarkt und seine Macht über unser Leben

Er rockt die Rente

Kolumne Von

Plötzlich ist Friedrich Merz wieder da – aus Schäubles hohlem Backenzahn hervorgekrochen. Wie ein Serienbösewicht, von dem man glaubte, er hätte doch schon vor vier Staffeln das Zeitliche gesegnet, ist der Hauptvertreter eines längst beerdigt geglaubten, testosterongeladenen Turbokonservatismus wieder unter uns – und sagt die Sachen, die man schon Anfang der nuller Jahre kaum erträglich fand.

Nun prescht der Black Rocker hervor mit der Idee, Aktien­besitz zu subventionieren, falls er für die Altersvorsorge genutzt würde, und erhielt dafür weithin Unterstützung bei allen, die Aktien besitzen oder ausgeben.

Nun ist eine Affinität älterer Menschen zum Glücksspiel nichts Un­gewöhnliches. Mein älterer Nachbar pilgert allwöchentlich zur Sport­wette, jede Woche verkracht sich in Deutschland eine Seniorentippgemeinschaft über einen zweistelligen Lottogewinn – und immer noch geben ältere Menschen ihre Stimme der SPD, auch wenn die Chancen, daraus absehbar irgendeine Form von Gewinn ziehen zu können, astronomisch klein sind. Merzens Vorschlag ist daher nicht einmal besonders abwegig, sondern nur Zuspitzung dessen, was ohnehin praktiziert wird. Wenn dann Zehntausende Rentner plötzlich nicht mehr Falsch­parker aufschreiben und Internetforen vollschreiben, sondern auf Aktionärsversammlungen rum­pöbeln, wenn sie nicht mehr Sagengestalten wie Gerhard Schröder oder Norbert Blüm für ihre miesen Renten verantwortlich machen, sondern direkt Daimler oder Blackrock verklagen – dann könnte dies, wer weiß, den Kapitalismus in einem Ausmaß zähmen, von dem Sozial­revolutionäre bisher nur träumen konnten!

Pro domo sei angemerkt, dass eine Umstellung der Renten aufs Börsenglück auch der Branche der Zukunftsdeuter, Sterngucker und Wahrsager eine neue Hausse bescheren könnten. Stellvertretend für die Astrologenzunft wünscht der Autor dieser Zeilen Friedrich Merz alles Gute für die Verwirklichung seiner Ideen!