Bodo Ramelow verspürt Heimatgefühle

Thüringer Sehnsüchte

Die AfD macht der Linkspartei in Ostdeutschland Wähler abspenstig. Das stellt »Die Linke« auch in Thüringen vor Probleme, wo im kommenden Jahr eine Landtagswahl ansteht. Ministerpräsident Bodo Ramelow setzt deshalb auf Heimatgefühle.

Der Kampf um die Stimmen der ostdeutschen Wähler stellt die demokratischen Parteien schon längere Zeit vor ein Problem. Die Wahlbeteiligung ist im Osten üblicherweise weit geringer als im übrigen Bundesgebiet, die Bindung der Wähler an Parteien ebenfalls. Wegen der neu aufgekommenen Konkurrenz durch die »Alternative für Deutschland« (AfD) sind der Linkspartei einst sicher geglaubte Stimmen abhanden gekommen. 420 000 Wähler verlor die Partei bei der jüngsten Bundestagswahl an die AfD, hauptsächlich in Ostdeutschland. Die Neigung, zumindest im Osten des Landes aus Protest »Die Linke« zu wählen, schwindet. Sicher geglaubte Mandate der Linkspartei sind gefährdet oder bereits verloren.

Das macht sich auch in Thüringen bemerkbar. Das Bundesland steuert im kommenden Jahr der Thüringer All­gemeinen zufolge »auf Unregierbarkeit zu«. Nach derzeitigen Umfragen käme im »grünen Herzen Deutschlands« keine Mehrheit für eine Regierungskoa­lition von Linkspartei, SPD und Grünen oder CDU, SPD und FDP zusammen. Die CDU erhielte knapp 30 Prozent, »Die Linke« 24 Prozent, die AfD 22 Prozent und die SPD zehn Prozent. Die Grünen und die FDP müssten um den Wiedereinzug in den Landtag bangen. Die nächste Landtagswahl soll im Oktober 2019 stattfinden.

Deutlich früher als Bodo Ramelow hat ein anderer großer Freund der thüringischen Scholle das Thema »Heimat« aufgegriffen: der AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke.

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow hat das Problem erkannt. »Wir sind jetzt Teil dessen, was die AfD als Altparteien bezeichnet. Dagegen kannst du nichts machen, wenn du Ministerpräsident bist. Den Ausgegrenzten-Nimbus hat uns die AfD einfach weggenommen«, sagte er im Mai der Zeit. Um die derzeitige Entwicklung aufzuhalten, versucht sich Ramelow an einer Offensive in Sachen »Heimat«. Am 9. November verdeutlichte er in einer Regierungserklärung anlässlich der Veröffentlichung des »Thüringen-Monitors« seinen Begriff von »Heimat« mit Ausflügen in die Geschichte. In seiner Rede sprach er vom Einfluss von »Menschen jüdischer Herkunft« auf »unsere deutsche Hochkultur«, von Menschen, »die etwas ­mitbringen, etwas einbringen, auch uns verändern«, und erwähnte namentlich Moses Mendelssohn und Felix Mendelssohn Bartholdy. Dies sei ­»etwas so Spannendes, so Aufregendes – und Jahre und Jahrhunderte später nehmen wir nicht einmal mehr zur Kenntnis, dass es Menschen waren, die von außen kamen und innen unser Land im positiven Sinne verändert ­haben«. Allerdings kamen Mendelssohn und sein Enkel Mendelssohn Bartholdy nicht »von außen«, sondern wurden in Deutschland geboren.

Mit solchen Details zur Zugehörigkeit von Juden in Deutschland hatte sich Ramelow offenbar nicht beschäftigt, schließlich ging es ihm lediglich um ein Loblied auf die »Heimat«. Im weiteren Verlauf seiner Rede konstatierte der zweitbeliebteste Politiker des Bundeslands, dass dieses Thema »lange ein wenig verpönt« gewesen sei, in den vergangenen Monaten jedoch »im ­öffentlichen Diskurs eine verdiente ­Renaissance erlebt« habe. »Für mich ­persönlich hat der Begriff Heimat – und ich glaube, es mehrfach auch deutlich gemacht zu haben – einen außerordentlich hohen Stellenwert«, ließ Rame­low die Anwesenden im Landtag wissen. Ganz neu sind solche Worte von Rame­low tatsächlich nicht. Im Oktober 2017 beispielsweise hatte er auf Twitter mitgeteilt: »Heimat ist ein Gefühl. Heimat ist Sehnsucht.«

Allerdings hatte ein anderer großer Freund der heimischen thüringischen Scholle das Thema deutlich früher aufgegriffen als Ramelow. In seiner Rede auf dem Landesparteitag der AfD im Oktober 2016 hatte der Landesvorsitzende Björn Höcke von einem Begriff gesprochen, der »vor einer unglaublichen Renaissance« stehe. »Ich meine den Begriff der Heimat«, hatte Höcke gesagt und darauf hingewiesen, dass 94 Prozent der Thüringer »ein positives Verhältnis zu ihrer Heimat« hätten. »Und nur wir als AfD können diesen facettenreichen Begriff authentisch ­besetzen«, hatte der Politiker damals verlauten lassen und die AfD Thüringen kurzum zur »Heimatpartei« erklärt.

Dass sich ein Ministerpräsident von der Linkspartei über die »Renaissance« eines Begriffs freut, die auch ein rechtsextremer Poli­tiker herbeigesehnt hat, dürfte ein kleiner Hinweis darauf sein, was »Die Linke« im Kampf gegen die AfD in Ostdeutschland leisten kann. Da ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich Ramelow am Ende seiner Regierungserklärung noch beim Bund der Vertriebenen bedankte, »der gute Heimatarbeit geleistet« habe beim Aushandeln eines Abkommens und die »alte Heimat mit im Blick gehabt« habe. Das Abkommen mache es möglich, dass »junge Leute aus der Ukraine in Thüringen in den Hotels ihre Ausbildung machen« könnten.