Die Justiz in Brandenburg musste wegen Personalknappheit einen mutmaßlichen Nazibrandstifter aus der Untersuchungshaft entlassen

Keine Strafen für Nazis

In Brandenburg musste ein mutmaßlicher neonazistischer Brandstifter aus der Untersuchungshaft entlassen werden. Die Opposition und antirassistische Gruppen kritisieren die schlechte Personalausstattung der Justiz in dem von SPD und Linkspartei regierten Bundesland.

Die Justiz des Landes Brandenburg steht seit der Entlassung des ehemaligen NPD-Politikers Maik Schneider aus der Untersuchungshaft unter großem Druck. Der Haftbefehl gegen den mutmaßlichen Brandstifter musste wegen »vermeidbarer und dem Staat zuzurechnender Verfahrensverzögerungen« aufgehoben werden. Es handelt sich ­offenkundig nicht um einen Einzelfall.

Antirassistische Initiativen bemängeln, dass rechtsstaatliche Mindeststandards in dem Bundesland längst nicht mehr gewahrt würden.

Schneider, ein ehemaliger Stadtverordneter, hatte seit März 2016 in Untersuchungshaft gesessen. Er musste sich vor Gericht für den Anschlag auf eine Sporthalle in Nauen im August 2015 verantworten. Die Halle, die als provisorische Flüchtlingsunterkunft vor­­gesehen war, brannte damals bis auf die Grundmauern nieder. Dank der Geständnisse spätere Mitangeklagter identifizierten die Ermittler schnell den rechtsextremen Lokalpolitiker als Drahtzieher des Anschlags. Im Prozess vor dem Landgericht Potsdam räumte Schneider die Tat ein, sagte aber, er habe die Turnhalle lediglich beschädigen wollen – als ­»Zeichen des Protests«. Im Februar 2017 wurde Schneider wegen Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von neuneinhalb Jahren verurteilt.

»Die Strafjustiz in Cottbus ist nicht funktionsfähig. Teilweise wurden schon Strafverfahren mit schwerwiegenden Tatvorwürfen einfach eingestellt«, sagte die Nebenklagevertreterin Regina Götz nach der Urteilsverkündung. Vor allem im Bereich rechter Gewalt habe das »fatale Folgen«.

Der Bundesgerichtshof kippte im März 2018 das Urteil wegen der Befangenheit eines Schöffen. Der Mann ­hatte die Äußerungen des Angeklagten zu den gegen diesen erhobenen Vorwürfen als »Quatsch« bezeichnet. Vor drei Monaten begann der Prozess vor dem Landgericht Potsdam dann erneut. Er ist derzeit noch bis März terminiert. Vergangene Woche wurde der Neonazi auf Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts entlassen.

Die Opposition plant, wegen der Freilassung Schneiders im Rechtsausschuss des Landtags eine Sondersitzung zu beantragen. »In Brandenburg kommen Straftäter auf freien Fuß, weil die Justiz unterbesetzt ist«, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Ingo Senftleben. »Richter und Staatsanwälte warnen seit Jahren«, aber SPD und Linkspartei seien untätig geblieben, so der Politiker. Die brandenburgische Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Ursula Nonnemacher, kritisierte die Verfahrensdauer ebenfalls: Nun sei deswegen eine »Symbolfigur der rechtsextremen Szene« auf freien Fuß gesetzt worden.

»Ich weiß, dass jeden Tag schwer ­gearbeitet wird in der brandenburgischen Justiz und deswegen sind solche Einzelfälle besonders ärgerlich«, ver­teidigte Brandenburgs Justizminister Stefan Ludwig (Linkspartei) seine ­Behörde. Er sieht keine generelle Überlastung der brandenburgischen Justiz. »Das kann ich nicht feststellen«, sagte Ludwig dem RBB. Der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Erik Stohn, verwies in einer Stellungnahme darauf, dass die Koalition von SPD und Linkspartei im nächsten Doppelhaushalt 300 zusätzliche Stellen in der Justiz geschaffen habe, weswegen für eine Sondersitzung des Rechtsausschusses keinerlei Notwendigkeit bestehe.

Der Verein »Opferperspektive Brandenburg« verweist dagegen auf einen weiteren aktuellen Fall, in dem wegen Prozessfehlern und einer langen Verfahrensdauer eine milde Strafe gegen einen Rechtsextremen ausgesprochen worden sei: Im Verfahren gegen einen Neonazi aus Spremberg beanstandete sie »schwere Mängel« und sieht die »rechtsstaatlichen Mindeststandards im Gerichtsbezirk Cottbus als nicht mehr gewährleistet an«. Ende Dezember endete das Berufungsverfahren gegen Marcus S. am Landgericht Cottbus mit Einstellungen sowie einer Bewährungsstrafe. In der Erstverhandlung am Amtsgericht war S. noch zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt worden.

Dem Mann waren diverse Straftaten vorgeworfen worden, unter anderem Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und Beleidigung, versuchte Nötigung eines Journalisten und zwei gefährliche Körperverletzungen, bei denen er einem Jugendlichen mehrfach ins Gesicht geschlagen und gegen den Kopf getreten hatte, so dass dieser ein Schädel-Hirn-Trauma erlitt. Die Taten richteten sich laut Opferberatung »in erster Linie gegen linke und nicht-rechte Jugendliche aus Spremberg und Cottbus«. Zeugen wurden während des Landgerichtsverfahrens nicht ­gehört. Das begründete die Staatsan­waltschaft unter anderem damit, dass man Zeugen, die ohnehin nicht mehr aussagen wollten, nicht durch eine weitere Aussage belasten wolle.

»Die Strafjustiz in Cottbus ist nicht funktionsfähig. Teilweise wurden schon Strafverfahren mit schwerwiegenden Tatvorwürfen einfach eingestellt«, sagte die Nebenklagevertreterin Regina Götz nach der Urteilsverkündung. Vor allem im Bereich rechter Gewalt habe das »fatale Folgen«. Joschka Fröschner von der »Opferperspektive Brandenburg« sieht den größten Handlungsbedarf darin, schnellstmöglich eine »entsprechende personelle Ausstattung bei Staatsanwaltschaft und Gerichten« sicherzustellen, »um dem aktuellen Zustand annähernder Straflosigkeit für rechte Gewalttäter ent­gegenzuwirken«.