Kritik der Gewalt – ob mit oder ohne Kantholz

Über antifaschistische Mittel und Zwecke

Den Rechten kommt man mit Argumenten nicht bei. Auch dann nicht, wenn diese sehr robust vorgetragen werden.
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Es steinmeiert wieder. Ein extrem rechter Bundestagsabgeordneter geht zu Boden, weil unbekannte Gestalten ihm Arges wollen, und der Bundespräsident verurteilt das umgehend und »in aller Deutlichkeit«, wünscht »gute und schnelle Genesung« und sieht einen »Angriff auf unseren Rechtsstaat«: Politische Gewalt dürften »wir« niemals zulassen. Freiheitlich-demokratische Twitterer wie Cem Özdemir sekundieren, weil »Gewalt niemals und aus keiner Motivation heraus gerechtfertigt ist«.

Sind Nazis eine unmittelbare Bedrohung für Leib und Leben, wäre es fahrlässig, auf das Gewaltmonopol des Staates zu vertrauen. Notwehr, selbst prospektive, ist, wenn auch nicht immer legal, so doch legitim und zielgerichtet.

So vermag nur zu reden, wer sich ganz einverstanden weiß mit diesem Staat, und dazu muss man kein Bundespräsident sein. Man muss aber absehen wollen von der Gewaltförmigkeit der gesellschaftlichen Verhältnisse und von staatlicher Gewalt, die eben diese Verhältnisse garantiert. Und man muss absehen wollen von nicht zufälligen Sympathien in Legislative und Exekutive für ex­trem rechte Positionen, vom jahrelang ungehinderten Treiben des terroristischen NSU, von entsprechenden Netzwerken in der Polizei.

Sind Nazis eine unmittelbare Bedrohung für Leib und Leben, wäre es darum fahrlässig, auf das Gewaltmonopol des Staates zu vertrauen. Notwehr, selbst prospektive, ist, wenn auch nicht immer legal, so doch legitim und zielgerichtet. Nur: Zu welchem antifaschistischen Zweck soll ein AfD-Parlamentarier, der durch die Stadt spaziert, aufs Pflaster gelegt werden? Er kann hernach sagen, er sei im Kampf fürs Vaterland gefallen, und wenn er wieder aufgestanden ist, wird er nicht weniger rechts sein als zuvor.

Es gibt durchaus Gewalt, die das Schema aus wohlüberlegtem Mittel und vorausgesetztem Zweck durchbricht. Bei Walter Benjamin heißt es, dass der Zorn des Menschen zu ihren sichtbarsten Ausdrücken führte. Sie ist dann nicht mehr Mittel, sondern Manifestation.

Eine solche Gewalt hat auch für den eher aufs Denken denn aufs Draufhauen abonnierten Linken eine gewisse Attraktivität. In ihr scheint schlagartig ein Moment von Gerechtigkeit auf, das gesellschaftliche Kontinuum wird aufgebrochen. Es muss nicht sein, dass Rechtsextreme reüssieren; sie können auch im Schmutz liegen. Nun sollte man sich bewusst machen: Es ist das äußerste Mittel. Der Mann liegt nicht allein im Schmutz, sondern im eigenen Blut. Was dadurch besser wird? In diesem Fall – nichts. Die Manifestation ist eine der Ohnmacht.

Ungelöst bleibt derweil das Dilemma: Der rechtsstaatliche und parlamentarische Rahmen schützt Rechtsextreme bei der Unter­minierung von Rechtsstaat und Parlament; Rede-, Presse- und Versammlungsfreiheit gewähren den Raum, um dessen Abschaffung zu betreiben; Parlamentsmandat und Regierungsamt erlauben ihnen, zu entsprechenden Mehrheiten gelangt, Recht zu setzen, das Unrechtes bewirkt. Versucht man, ihnen diese legalen Mittel gewaltsam streitig zu machen, legt man sich nicht nur mit ihnen selbst, sondern auch mit dem Staat an. Dessen Reaktion muss man dann aushalten können.

Wenn also die Verhältnisse derart verrammelt sind, wäre es angeraten, nicht alle Ressourcen für die direkte Auseinandersetzung mit den Rechtsextremen zu reservieren. Es wären vielmehr eben jene Verhältnisse in Frage zu stellen, die einen safe space für die demokratisch gewandeten Faschisten bilden.