Hinter den Brandstiftungen und Morddrohungen im Rhein-Main-Gebiet stecken wahrscheinlich extreme Rechte

Unter Feuer

In Frankfurt am Main und benachbarten Städten gab es in den ver­gangenen Monaten eine Serie von Brandstiftungen gegen linke Einrichtungen, ein politischer Hintergrund liegt nahe. In Hanau wird gegen einen Tatverdächtigen ermittelt.

Knotenpunkt, Assenland, Lila Luftschloss, Café Exzess, Metzgerstraße, Schwarze 79 – das sind die Namen selbstverwalteter linker Hausprojekte im Rhein-Main-Gebiet. Neben dem ­politischen Anspruch eint sie ein weiterer, weniger selbstbestimmter Umstand: Sie alle sind von mutmaßlich politisch motivierten Brandstiftungen betroffen.

Im September wurde nach Angaben des betroffenen Mietshäusersyndikats (MHS) Rhein-Main auf dem Grundstück des Hausprojekts »Knotenpunkt« in Schwalbach ein Feuer gelegt, das auf eine Scheune und ein Wohnhaus übergegriffen und einen Schaden von über 200 000 Euro verursacht hat. Mitte November wurde ein Feuer am besetzten Haus »In der Au« in Frankfurt-Rödelheim gelegt, fast gleichzeitig brannte es am MHS-Projekt »Assenland«. Nur zwei Tage später löschten Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses »In der Au« erneut einen Brand, diesmal in ­ihrem Vorgarten. Im Dezember kam es zu mutmaßlichen Brandstiftungen an einem Wohnprojekt in Hanau, an einer Tür am linken Zentrum »Café Exzess« in Frankfurt und am feministischen Wohnprojekt »Lila Luftschloss« im Frankfurter Nordend, während sich nach Angaben des MHS rund 20 Personen im Haus befanden. In keinem Fall konnten Täter gestellt werden. Die Brandstiftungen erinnern an eine ähnliche Anschlagsserie in Berlin-Neukölln, die noch immer nicht aufgeklärt wurde.

Das Mietshäusersyndikat Rhein-Main warf der Hanauer Polizei und Staatsanwaltschaft »eklatante Ermittlungsversäumnisse« vor, die sich »nur schwerlich mit Pannen und handwerklichen Fehlern erklären« ließen. Die Polizei habe beispielsweise einen vereinbarten Begehungstermin mit der »Metzgerstraße« nicht wahrgenommen.

Die Frankfurter Polizei bestätigt Brände an vier linken Projekten in der Stadt. Die Ermittlungen in den Fällen dauerten noch an, »auch im Hinblick auf die Brandursache«, sagte Chantal Emch, Pressesprecherin der Polizei Frankfurt, der Jungle World. »Ob beziehungsweise inwieweit ein Zusammenhang zwischen den jeweiligen Bränden besteht, ist ebenfalls Bestandteil der noch andauernden Ermittlungen«, so Emch.

»Wir sind alarmiert und wachsam«, sagte die MHS-Sprecherin Eliad ­Nowack, die selbst in einem betroffenen Hausprojekt lebt, der Jungle World. Die Bewohnerinnen und Bewohner sowie die Betreiberinnen und Betreiber der Projekte im Rhein-Main-Gebiet stünden im Austausch miteinander und hätten sich bundesweit vernetzt. Zudem habe man die Häuser mit neuen Rauchmeldern und Feuerlöschern ausgestattet.

Besonders alarmierend sei der Brand im linken Zentrum »Metzgerstraße« in Hanau. Ende Dezember wurde nach Angaben des MHS ein Feuer in einem Raum gelegt. Der mutmaßliche Täter wurde kurze Zeit später in Hanau gestellt. Kurz bevor er den Brand gelegt haben soll, habe er sich in der »Metzgerstraße« aufgehalten und das Gespräch mit anderen Besucherinnen und Besuchern gesucht. Diese hätten den mutmaßlichen Brandstifter später ­gestellt.

Der Tatverdächtige, nach MHS-­Angaben ein 46jähriger Mann aus Frankfurt, scheint eine lange Vor­geschichte mit linken Projekten im Rhein-Main-Gebiet zu haben. So habe der Tatverdächtige seit 2015 nach ­Fehlern in ­öffentlichen Bilanzen und Impressen der Internetseiten verschiedener Hausprojekte gesucht und diese beispielsweise bei der Bundes­anstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gemeldet.

Das MHS sieht beim Tatverdächtigen eine »Obsession mit Projekten« des Syndikats und bei den Brandstiftungen einen »Seriencharakter«. Der Tatverdächtige müsse »akribisch hinterhergewesen sein, Fehler zu finden, wo ein Komma oder zehn Euro fehlen«, so Nowack. Die Auswahl der Brandziele spreche eine ähnliche Sprache, denn nicht alle Projekte seien einer breiten Öffentlichkeit bekannt oder leicht auffindbar. »Auch wenn das vielleicht kein organisierter Nazi ist, spricht die Auswahl linker und alternativer Projekte für sich«, sagte Nowack.

Das MHS warf der Hanauer Polizei und Staatsanwaltschaft in einem Statement »eklatante Ermittlungsversäumnisse« vor, die sich »nur schwerlich mit Pannen und handwerklichen Fehlern erklären« ließen. Die Polizei habe beispielsweise einen vereinbarten Begehungstermin mit der »Metzgerstraße« nicht wahrgenommen.

Dem widerspricht die Staatsanwaltschaft Hanau. Eine »gründliche Tatortaufnahme der Brandstätte durch die ermittelnden Beamten im sonst üblichen Umfang« sei »erschwert« worden, wie die Staatsanwaltschaft in einer Pressemitteilung schrieb. Darüber hinaus hätten die Besucherinnen und Besucher der »Metzgerstraße« eine Aussage gegenüber der Polizei »ausdrücklich verweigert«. Von einem Begehungstermin gebe es keine Kenntnis, weder beim zuständigen Fachkommissariat noch bei der Staatsanwaltschaft, wie Oberstaatsanwalt Dominik Mies der Jungle World sagte.

Noch in der Tatnacht habe die Hanauer Polizei die Wohnung des Verdächtigen durchsucht und mögliche Beweismittel sichergestellt. Es bestehe »zumindest ein Anfangsverdacht bezüglich weiterer Brände in den vergangenen Monaten auf Wohnprojekte der links-alternativen Szene in Hanau und weiteren Orten im Rhein-Main-Gebiet«, so die Staatsanwaltschaft. Der Tatverdächtige verweigerte die Aussage und ist mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der schweren Brandstiftung eröffnet.

In Solidarität mit den betroffenen Hausprojekten folgten zwei Tage vor Heiligabend über 1 000 Menschen einem Demonstrationsaufruf. Unter dem Motto »Gemeint sind wir alle!« wandten sich die Teilnehmenden ­gegen die Brandstifter »an den Schreibtischen und auf den Straßen«. Die ­Demonstrantinnen und Demonstranten kritisierten die sich verschärfende ­politische Entwicklung nach rechts in Deutschland. Sie zogen auch am 1. Frankfurter Polizeirevier vorbei, das jüngst wegen eines Skandals in die Schlagzeilen geraten war. Sechs Beamte sind dort vom Dienst suspendiert worden, eine Polizistin hatte ohne dienstlichen Grund die geschützten Daten der Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız abgerufen. Die Juristin hatte danach ein mit »NSU 2.0« unterzeich­netes Fax mit der Drohung erhalten, ihre Tochter zu ermorden. Am Montag berichtete die Süddeutsche Zeitung, Başay-Yıldız habe nach der Suspendierung der Polizisten erneut ein Fax mit ähnlichen Drohungen bekommen. Wieder sei das Schreiben mit »NSU 2.0« unterzeichnet gewesen.

Die Teilnehmenden der Demonstration sahen auch eine Mitverantwortung für die Anschlagsserie im Frankfurter Stadtparlament, dem Römer. Dort hatte es im Sommer eine Debatte über die Legitimität linker Zentren ­gegeben; mehrere Anträge, die diese negativ darstellten oder deren Schließung forderten, führten zu heftigen Diskussionen. FDP, AfD und die rechten »Bürger für Frankfurt« (BFF) attackierten die Zentren scharf, auch einige Mitglieder der CDU äußerten Sympathien für die Anträge.

Christoph Schmitt, Stadtverordneter und Schatzmeister des Frankfurter CDU-Verbands, sicherte in einer E-Mail an die autonomen Gruppe »Kritik und Praxis« seine »uneingeschränkte Solidarität« im Falle eines rechtsextremen Anschlags zu. Schmitt bestätigte der Jungle World die Echtheit des Schreibens und bedauerte die fehlende Kommunikationsbereitschaft der Gruppe. Die »uneingeschränkte Solidarität« gelte jedoch »nicht in Bezug auf die Besetzung«, so Schmitt.

Unterdessen teilte das »Café Exzess« am Dienstag mit, die Stadt Frankfurt habe bereits am 20. Dezember per Anwaltsschreiben mit der Kündigung der Räumlichkeiten gedroht, wenn die Außenwand des Cafés nicht bis zum 31. Dezember 2018 von den »zahlreichen Werbeplakaten sowie politischen ­Botschaften« gesäubert werde.