Homestory

Homestory #04

»Mein kleiner grüner Kaktus steht draußen am Balkon, hollari, hollari, hollaro!« So erklang es am Montagmorgen zumindest virtuell in den Redaktionsräumen der Jungle World. Auf allen Schreib­tischen hatten sich kleine Pflanzen in Töpfen eingefunden. Was war das? Wo kamen die her? Ein beiliegender Zettel informierte, dass ein Kollege damit zu einer WG-Party einlud. Gut, aber woher die Pflanzen kamen, war damit noch nicht beantwortet. Auf Nachfrage berichtete der Kollege von einer Pflanzenurmutter, die er vor Jahrzehnten von seiner längst verstorbenen BDM-Oma geschenkt bekommen habe. Und diese Urpflanze sei bis heute so reproduktiv unterwegs, dass mal eben die gesamte Redaktion Ihrer kleinen, aber feinen Lieblingswochenzeitung mit Ablegern versorgt werden konnte. Was schon deshalb ganz schön ist, weil die heiligen Hallen der Jungle World sonst nicht gerade wie das Pflanzenparadies im nächsten Baumarkt anmuten.

Aber handelt es sich überhaupt um Kakteen? »Ganz klar Aloe vera«, sagt ein anderer Kollege im Brustton der Überzeugung. Also, diese Pflanze, aus der Gels und Cremes gemacht werden? Aber gehört die nicht auch zu den Kaktuspflanzen? Tante Wiki hilft weiter. »Kakteen sind eine Familie in der Ordnung Nelkenartige« und kommen aus Amerika, wo sie von Kanada bis hinunter nach Patagonien verbreitet sind. Aloe vera hingegen gehört zur Familie der Spargelartigen und stammt vermutlich von der arabischen Halbinsel. Beide wiederum gehören zu den Sukkulenten. Das sind Pflanzen, die in ihren Pflanzenteilen Wasser speichern. Kakteen und Aloe vera sind also gewissermaßen Neuwelt- und Altweltsukkulenten.

Die Frage, welche von denen wir hier nun vor uns haben, ist mit diesen Erkenntnissen freilich noch immer nicht beantwortet. Ver­suchen wir es doch mal journalistisch – und fragen den, der es wissen müsste. Nein, der Kollege, der die Ableger so großzügig in der Redaktion verteilt hat – er weiß es auch nicht. Vielleicht ist die Biologie nicht die ganz große Stärke der Redaktionsmitglieder. Hier tummeln sich eher Politikwissenschaftler, Historikerinnen, Soziologen und Germanistinnen.

Einer, der es hätte wissen können, hat uns vergangene Woche mal wieder besucht. Der letzte linke Kleingärtner, unser Autor Roland Röder, hat vor der »Wir haben es satt«-Demonstration auch noch bei der Jungle World reingeschaut. Und am Tag nach der Kundgebung eine Lesung aus seiner Kolumne abgehalten – leider alles zu früh, um unsere Sukkulenten zu begutachten. Ob er in seinem Kleingarten die stacheligen Pflanzen hat? Mit Fug und Recht könnte er dann singen: »Was brauch’ ich rote Rosen, was brauch’ ich roten Mohn, hollari, hollari, hollaro!«