Bei der Konferenz »How we win« wurde in Berlin über linke Strategien diskutiert

Woran man linke Erfolge misst

Am Wochenende diskutierten in Berlin 400 Menschen über antinationale, antirassistische und feministische Strategien im neuen Jahr.

»How we win« lautete das Motto ­einer Konferenz, zu der am Wochenende über 400 Personen aus der ­ganzen Republik nach Berlin gereist waren. Eingeladen hatte die Kampa­gne »Nationalismus ist keine Alternative« (Nika). Das Motto drückte das Selbstverständnis der hauptsächlich vom kommunis­tischen Bündnis »Ums Ganze« initiierten Kampagne aus. Die Nika-Sprecherin Ulrike Sommer sagte, dass man sich mit dem Motto von einer Sichtweise abgrenzen wolle, nach der in Zeiten von AfD-Wahlerfolgen und extrem rechten Aufmärschen nur noch Abwehrkämpfe möglich seien.

Die rechten Regierungen in Österreich und Italien belegen die auf der Konferenz verbreitete These der Nika-Kampagne, der zufolge eine autoritäre Formierung in den kapitalistischen Zentren im Gang sei. Dagegen setzt Nika eine linke Kampagne, die ausdrücklich auch bündnisfähig bis ins linksliberale Lager sein soll.

Doch was wäre in diesem Kampf ein Erfolg? Diese Frage beschäftigte die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der beiden Podiumsdiskussionen und der zahlreichen Workshops an diesem Wochenende. Die gelungene Blockade ­einer rechten Veranstaltung kann ein kleiner Erfolg sein. So berichtete eine Vertreterin des »Kolektiv 115« aus Tschechien, wie ihre Gruppe ein Treffen von Rechtspopulisten aus ganz Europa störte. Die Genossin aus einer linken italienischen Gruppe berichtete über große Demonstrationen gegen rassistische Angriffe auf Migranten. Leider ging sie nicht ausführlicher auf die von ihr ­erwähnte gewerkschaftliche Organisierung von Migranten in der Landwirtschaft und im Logistiksektor ein, denn auch dabei gibt es einige Erfolge.

Der Referent der »Autonomen Antifa Wien« hingegen konnte nichts von ­Erfolgen in Österreich berichten. Nicht nur die parlamentarische, sondern auch die außerparlamentarische Opposition befinde sich nach dem Regierungsantritt von ÖVP und FPÖ noch immer in einem Neufindungsprozess. Der von den Gewerkschaften angekündigte Widerstand gegen die Verlängerung der Wochenarbeitszeit habe sich bislang als wirkungslos erwiesen.

Die rechten Regierungen in Österreich und Italien belegen die auf der Konferenz verbreitete These der Nika-Kampagne, der zufolge eine autoritäre Formierung in den kapitalistischen Zentren im Gang sei. Dagegen setzt Nika eine linke Kampagne, die ausdrücklich auch bündnisfähig bis ins linksliberale Lager sein soll. So wird die »Unteilbar«-Demonstration vom Oktober als erfolgreiche Mobilisierung genannt. Tim Jonas von Nika Bayern verwies auf mehrere Demons­trationen vor der dortigen Landtagswahl, die wesentlich von der Kampagne mitinitiiert worden seien. Die Teilnehmerzahlen besonders bei der Kundgebung »Ausgehetzt«, bei der im Juli in München Zehntausende gegen die Politik der CSU demonstrierten, und bei den Protesten gegen die Verschärfung der Polizeigesetze hatten alle Erwartungen übertroffen. Jonas stellte allerdings in Frage, dass es sich dabei um dauerhafte Erfolge handelte. Viele der Teilnehmenden hätten sich vor allem eine Regierungsbeteiligung der Grünen erhofft, nach der Wahl habe der Mobilisierungsgrad abgenommen.

Auch in den kommenden Monaten werden Kampagnen rund um Wahl­termine eine zentrale Rolle spielen. Da geht es um den Kampf gegen die rechten Parteien bei der Europawahl im Mai. Gleichzeitig wendet sich Nika gegen ein Bündnis mit neoliberalen Kräften der Zivilgesellschaft, die den französischen Präsidenten Emanuel Macron als Protagonisten eines liberalen Europa feiern. Eine eigenständige linke EU-Kritik wurde auf der Konferenz allerdings nicht formuliert. Bei der

Podiumsdiskussion am Samstag gab es kritische Nachfragen, als Jonas sagte, dass er das Entfernen von »Merkel muss weg«-Aufklebern als antifaschistische Tat betrachte. Dagegen wurde eingewandt, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ländern der europäischen Peripherie für die deutsche Austeritätspolitik stehe.

Ein weiterer Mobilisierungstermin könnte die sächsische Landtagswahl Anfang September sein, wo es, wie auch gleichzeitig in Brandenburg, darum geht, zu verhindern, dass die AfD stärkste Partei und womöglich Teil der Landesregierung wird. Aber worin ­bestünde der Erfolg einer antinationalen Kampagne, wenn die sächsische CDU, welcher der als Pegida-Versteher bekanntgewordene Politologe Werner Patzelt als Berater dient, weiter die Regierung stellt?

Auch die Erfolgskriterien, die Massimo Perinelli von des Bündnis »Tribunal NSU-Komplex auflösen« aufstellte, überzeugten nicht alle Konferenzteilnehmer. Perinelli vertrat die These, dass die Rechtsextremen trotz aller Wahlerfolge auf der Verliererstraße seien, weil es kein Zurück zu einer ethnisch reinen deutschen Gesellschaft mehr gebe. Die »Kanakisierung« sei ein großer Erfolg der von Perinelli propagierten »Gesellschaft der Vielen«. Eingewandt wurde, dass dieser Erfolg zweifelhaft sei, wenn ein Teil der Migranten dem türkischen Autokraten ­Recep Tayyip Erdoğan zujuble oder die Sharia befürworte.
Bei einem Thema allerdings gab es große Einigkeit: Der Frauenstreik am 8. März wird von der Nika-Kampagne unterstützt. Kerstin Wolter vom Frauen­streikbündnis stellte die Aktion in den Kontext eines weltweiten Widerstands von Frauen gegen Angriffe auf hart ­erkämpfte Rechte. Die Frauen wehrten sich in dem Bewusstsein, dass das von Rechten propagierte Frauenbild anachronistisch sei. Eine Konferenzbesucherin erinnerte daran, dass Frauen­streiks seit Jahren auch bei Arbeitskämpfen im Care-Bereich und im Einzelhandel stattfänden. Auch diese ­sollten von Nika unterstützt zu werden.