Die Kampagne für den »World Hijab Day« trifft auf Widerstand

Duck and Cover

Die Kampagne für den »World Hijab Day« am 1. Februar trifft auf den resoluten Widerstand einer Gegenkampagne.

Am 1. Februar soll erneut der »World Hijab Day« zelebriert werden. Die gleichnamige Kampagne ruft alle »nichtmuslimischen Frauen und Non-Hijabi-Musliminnen« auf, einen Tag das islamische Kopftuch zu tragen, um zu belegen, »wie frei ihr im Hijab seid«. Selfies plus Statement von Unterstützerinnen und Hijabis – eine Selbstbezeichnung der Aktivistinnen, die demonstrativ das Kopftuch tragen – aus allen Teilen der Welt werden seit Monaten über die ­offizielle Website und unter dem Hashtag #FreeInHijab über die gängigen ­Social-Media-Kanäle verbreitet.

Initiiert hat den jährlichen Aktionstag im Jahr 2013 die New Yorkerin ­Nazma Khan. Die mit elf Jahren aus Bangladesh eingewanderte Organi­satorin trägt das streng gebundene Kopftuch mit Unterkappe, das Kopfhaar samt Ohren, Hals, Nacken und Schulteransatz bedeckt – aus freien Stücken, wie Khan in einem Video der Website sichtlich stolz erklärt, »um meinem Schöpfer zu gehorchen und als Statement für meine Identität als muslimische Frau«.

Sieht man von der ästhetisch einladend gestalteten Fassade der offiziellen Website ab, erweist sich rasch bei der professionell geführten Kampagne, die als Sponsoren diverse islamische Organisationen aus Kulturdialog, Wohlfahrt und Missionierung aufführt, dass es um mehr als »bloß ein Stück Stoff auf dem Kopf« (Khan) geht. So bedient der Einladungstext in Rhetorik und Metaphorik bereits gängige Muster islamistischen Missionierungseifers. Der weibliche Körper sei »sakral«, Musliminnen verdeckten ihn »gleich einer Perle im Ozean« respektvoll mit einer »schönen Schale«, schließlich habe Allah »den Hijab als eine Ehre und ein Zeichen der Würde von Frauen befohlen«. Eine Einladung unter der Überschrift »Sister to Sister« richtet sich eigens an die noch unentschlossene ­»geliebte Schwester« im Islam. Mit Koran-Zitaten gespickt, zeigt der frömmelnde Text vordergründig Verständnis für die Ablehnung der »sattsam« bekannten Ermahnungen zum Tragen des Hijab.

Dem folgt der Gewissens­appell, die »auferlegten Pflichten zu erfüllen«, mit der eindringlichen Mahnung, ans Jenseits zu denken und an »die Tatsache, eines Tages gerichtet zu werden«. Ohne Umschweife drücken zwei islamische Honoratioren, offizielle Unterstützer des Aktionstags, sein missionarisches Ziel aus: Er sei eine »kraftvolle Plattform, um die Lehren und Werte des Islam global zu verbreiten«, sowie eine »wunderbare Initiative, bei der die muslimischen Schwestern die Schönheit des Hijab erfahren können und hoffentlich von einem eintägigen zu einem lebenslangen Bekenntnis übergehen, insha’allah«.

Doch gegen den Aktionstag formiert sich Widerstand in den sozialen Medien, der seit Wochen die Kampagne unterminiert. »Schaut euch dieses Bild an, ich kann kaum atmen«, twitterte am 29. Dezember unter #FreeInHijab eine Frau im Niqab zu ihrem Selfie, auf dem sie nach der Vollverschleierung vor ihr Gesicht greift: »Nein, ich bin nicht frei. Es war nicht meine Wahl und ich bin gezwungen, ihn zu tragen. Der Hijab schränkt meine Bewegungen ein und viele andere Dinge meines ­Lebens.«

»Meine Mutter zwang mich, unter Androhung des Höllenfeuers und ihre Hände um meinen Hals gelegt, den Hijab zu tragen (…) Jetzt bin ich endlich frei«, so eine junge ex-muslimische »Saudi Woman Runaway« mit offenem Haar. Andere posten Videos, in denen sie ihr Kopftuch als »Werkzeug der Unterdrückung« abnehmen und öffentlich verbrennen. »Dazu ­gezwungen«, »wir hassen es«, »wenn ich das ablege, bringen sie mich um« – so und ähnlich lauten die vielfach geteilten Beiträge von Frauen aus islamisch geprägten Gesellschaften, oft ergänzt mit »not #FreeInHijab« oder dem Gegenhashtag #FreeFromHijab. Während Beiträge für den »World Hijab Day« online nur mäßige Aufmerksamkeit erzielen, kapern die Beiträge gegen den Aktionstag, die teils hundert- oder tausendfach geteilt und vor allem via Twitter verbreitet werden, seit Wochen ­faktisch die ursprüngliche Kampagne.

Auch bekannte muslimische und ­ex-muslimische Menschen- und Frauenrechtlerinnen setzen ihre Reichweite als Multiplikatorinnen ein, wie Yasmine Mohammed mit rund 60 000 Twitter-Followern und Ensaf Haidar, die Ehefrau des inhaftierten saudischen Bloggers Raif Badawi. Sie teilen ihre persönlichen Erfahrungen und warnen vor dem ­Sharia-Islam, teilen und übersetzen farsi- oder arabischsprachige Beiträge, um gegen den Hijab-Zwang zu argumentieren. Als Gegenkampagne haben sie, wie auch der deutsche »Zentralrat der Ex-Muslime« und dessen nordamerikanische und skandinavische Pendants, den 1. Februar kurzerhand zum #NoHijabDay erklärt, um solidarischen »Widerstand« gegen Islamismus zu leisten.

Proteste unter den Hashtags #Whitewednesdays und #MyStealthyFreedom gegen den iranischen Kopftuchzwang oder #NiqabUnderMyFoot, #EndMaleGuardianship, #StopEnslavingSaudiWomen, #IAmMyOwnGuardian gegen das saudische System haben sich in den vergangenen Jahren gehäuft und das repressive Klima in islamischen Gesellschaften öffentlich angeprangert. Sie dürften zum Erfolg der Gegenkampagne zum »World Hijab Day« b­eigetragen haben.

Mitunter bestärken sich Befreiungsaktionen und Freiheitsbewegungen ­innerhalb und außerhalb der sozialen Medien gegenseitig, wie im Fall Rahaf Mohammed al-Qunun und der saudischen Frauenrechtsbewegung, der die Journalistin Mona Eltahawy gar eine »Revolution« voraussagt. Die 18jährige al-Qunun hatte Anfang Januar auf der Flucht vor familiärer Gewalt und Zwangsverheiratung via Twitter international um Hilfe gebeten, nachdem ihr in Thailand offenbar saudische Behörden den Pass entzogen hatten. Als sie unter medialer Begleitung und UNHCR-Assistenz in Kanada Asyl fand, machte sie zuvor verschwiegene Fluchtgründe öffentlich: ihre Abkehr vom ­Islam sowie den Zwang, sich zu verschleiern und dem islamischen Vormundschaftssystem zu unterwerfen. Einem Bericht des Time Magazine zufolge verbreitete sich daraufhin jüngst unter Saudis der arabischsprachige ­Thread »Entfernt das Vormundschaftssystem oder wir werden alle fliehen«. Die Reaktion gilt neben der erfolgreichen Flucht dem bekannt gewordenen Mitschnitt des Lamentos eines saudischen Diplomaten, der sagte: »Ich wünschte, sie hätten ihr das Handy abnehmen können statt den Pass.«

 

Geändert am 31. Januar, 15:00