Die »Grundrente« ist keine Lösung

Dann erb doch!

Die von Hubertus Heil vorgeschlagene »Grundrente« wäre zwar besser als nichts, ist aber keineswegs der große Wurf gegen die Altersarmut.
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Wer zum Mindestlohn in Vollzeit arbeitet, erhält im Monat deutlich weniger als 1 500 Euro netto. Davon Rücklagen fürs Alter aufzubauen, ist nicht möglich. Und es ist höchst unwahrscheinlich, dass ein Millionenerbe erwartet, wer jahrzehntelang für niedrigsten Lohn gearbeitet hat – auch wenn der FDP-Vorsitzende Christian Lindner in der Diskussion über die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vorgeschlagene »Grundrente« etwas anderes glauben machen will.

Wer wenig hat, der hat auch beim Erben wenig zu erwarten – das belegen Statistiken über die Vermögensverteilung in Deutschland.

Heil hat einen Vorschlag vorgelegt, um die Renten von Menschen am unteren Ende der Einkommensskala zu verbessern. Anders als die öffentliche Aufregung nahelegt, fallen die darin vor­gesehenen Rentenaufschläge sehr bescheiden aus. Menschen, die mindestens 35 Jahre Ansprüche an die gesetzliche Rentenversicherung gesammelt haben, sollen einen Zuschlag bekommen, wenn sie weniger als 896 Euro Rente im Monat haben. Heils Paradebeispiel ist eine Friseurin, die 40 Jahre zum Mindestlohn gearbeitet hat. Die Friseurin erhält eine Rente von 514 Euro. Zurzeit hat sie Anspruch auf Grundsicherung und Wohngeld. Im Schnitt zahlt der Staat bis zu einer Grenze von 796 Euro, je nach Mietkosten mehr oder weniger. Gemein ist: Geld bekommt die Friseurin derzeit nur, wenn sie keine Rücklagen und keinen Partner hat, der sie ernähren könnte. Nach Heils Vorstellungen soll die Friseurin künftig 961 Euro Rente erhalten, unabhängig von Partner und Rücklagen. Nach Abzug der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge würden etwa 855 Euro übrig bleiben, also 59 Euro mehr als bisher in der Grundsicherung.

Die überwiegende Mehrheit der Bürger ist Umfragen zufolge für Heils Grundrente. Kein Wunder, denn ein kleines bisschen mehr ist besser als gar nichts. Von vielen Seiten wird Heil aber angegriffen, weil er keine Bedürftigkeitsprüfung für die Grundrente haben will. Dabei ist der Verzicht auf die Bedürftigkeitsprüfung das Entscheidende. Davon würden vor allem Frauen profitieren. Weil sie statistisch gesehen deutlich weniger verdienen als Männer, haben sie ­erheblich niedrigere Renten. Im Alter haben sie aber oft keinen Anspruch auf Grundsicherung, weil die Rente ihres Partners angerechnet wird. Sie bleiben finanziell abhängig, obwohl sie ein Leben lang erwerbstätig waren. Lässt sich die SPD den Prüfungsverzicht abhandeln, würde das alte geschlechtsspezifische Rollenmodell auch in der Grundrente beibehalten, statt Frauen wenigstens ein bisschen mehr finanziellen Spielraum im Alter zu ermöglichen.

Selbst wenn Heils Vorschlag ohne Abstriche durchkäme, der große Wurf gegen Altersarmut ist er nicht. Auch von 855 Euro im Monat lässt es sich nicht gut leben, zumal viele nicht einmal diesen Betrag bekommen, weil sie keine 35 Versicherungsjahre aufweisen können. Die willkürliche Grenze trifft vor allem Frauen, denn nicht nur, aber gerade sie haben oft unterbrochene Erwerbsbiographien. 35 Versicherungsjahre sind eine ganze Menge, deshalb werden nur relativ wenige in den Genuss der »Grundrente« genannten Grundsicherung plus Bonus kommen.

Ein großer Wurf wäre eine Mindestrente ohne Bedürftigkeitsprüfung auf einem Niveau, das deutlich über der Armutsgrenze liegt. Wer vermögend ist, dem könnte die Mindestrente über die Steuererklärung abgezogen werden.

Aber dafür bräuchte es eine Steuer­reform mit Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die Reiche angemessen zur Kasse bittet.