Warum Arbeitgeber Homeoffice gut finden und Frauen die Arbeit dort härter trifft

Hausfrauisierung im Homeoffice

Lohnarbeiten soll flexibler werden und sich nach den Bedürfnissen der Arbeitnehmer richten. Dafür, Beruf und Familie zu vereinbaren, ist die Arbeit von zu Hause aber nur bedingt geeignet.

Das Kind ist krank, der Abwasch des Vorabends steht in der Spüle und die Haare sind ungewaschen. Wie gut, dass die gestresste Arbeitnehmerin für solche Fälle – und die gibt es nicht selten – ins sogenannte Homeoffice ausweichen kann. Daheim lässt sich nämlich gleichzeitig Hühnersuppe kochen, das fiebrige Kind schaukeln und dabei nebenbei noch ein wenig aufräumen. Wenn die Lohnarbeit am heimischen Schreibtisch dabei nicht ganz erledigt wird, ist es auch nicht weiter tragisch. Schließlich bleibt am Abend, wenn das Kind schläft, noch genügend Zeit, um alles nachzuholen. Und das Beste daran: Man muss sich nicht einmal anziehen.

Von solchen Szenarien träumen vielleicht einige Arbeitnehmer, vor allem aber die SPD. Wenn es nach ihr ginge, müssten bald alle Unternehmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die Möglichkeit zur Heimarbeit einräumen.

Der Gender Care Gap ist demnach insbesondere unter den Beschäftigten im Homeoffice hoch. Mütter investieren pro Arbeitswoche knapp drei Stunden mehr in Kinderbetreuung, wenn sie von zu Hause aus arbeiten. Väter nutzen laut der Studie das Homeoffice ausschließlich, um deutlich länger zu arbeiten.

»Sicher würde es gerade vielen Frauen das Leben erleichtern, mehr zu arbeiten, wenn sie das teilweise von zu Hause aus tun könnten. Homeoffice verbessert die Vereinbarkeit mit der Familie, die Motivation, die Arbeitsleistung und das Betriebsklima«, sagte die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles im Februar der Parteizeitung Vorwärts. CDU / CSU und SPD hatten sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, einen neuen Rechtsrahmen für sogenanntes mobiles Arbeiten zu schaffen. Und viele Menschen wünschen sich genau das. Denn das Arbeiten zu Hause verspricht auch Ruhe und Konzentration, die im Großraumbüro schwer zu kriegen ist. Doch die flexibel einteilbare Heimarbeit hat auch Nachteile.

Die Studie »Arbeiten jederzeit und überall: Auswirkungen auf die Arbeitswelt« der Arbeitsorganisation ILO zeigt die Nachteile des mobilen Arbeitens. 41 Prozent der Angestellten im Homeoffice klagten über Stress – unter den Kollegen im Büro war es nur jeder Vierte. Auch nachts können Heimarbeiter schlechter abschalten. 42 Prozent leiden an Schlafstörungen, bei den Büroarbeitenden sind es lediglich 29 Prozent.
Trotzdem liegt das Homeoffice im Trend. Während 2014 nur knapp jedes fünfte Unternehmen die Möglichkeit anbot, von zu Hause aus zu arbeiten, waren es 2016 bereits 31 Prozent. 2018 stieg die Zahl weiter an auf 39 Prozent. Eine Studie der US-amerikanischen Universität Stanford fand indessen heraus, dass die Angestellten im Home­office sogar seltener wegen Krankheit ausfallen und sich weniger freinehmen oder Pausen einlegen. Der geringe Krankenstand, die gute Erreichbarkeit und die Effizienz des Arbeitens lässt Arbeit­geberherzen höher schlagen.

Doch gerade Frauen, die ohnehin erheblich mehr Kindererziehung und Hausarbeit leisten als Männer, sind von Heimarbeit eher mehr belastet. Sabine Flick, Soziologin am Institut für Sozialforschung an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main, sieht die Auswirkungen der ­Fexibilisierung kritisch. »Die Hoffnung, dass sich Geschlechterverhältnisse durch Flexibilisierung wie Instrumente der Teleheimarbeit oder Vertrauensarbeitszeit egalisieren, hat sich nicht erfüllt. Es wird ohne Zeiterfassung statistisch gesehen mehr gearbeitet und die Zeit im Homeoffice gerät zur permanenten Erreichbarkeit, da die Grenzen, wenn man ohnehin schon zu Hause Erreichbarkeit signalisiert, dann nicht mehr klar zu ziehen sind. Homeoffice wird zudem in den meisten Unternehmen als Ausdruck mangelnder Karriereambitionen gewertet«, sagt sie im Gespräch mit der Jungle World. In Deutschland herrsche zudem die Vorstellung, dass eine Führungsposition nur einnehmen könne, wer 120 Prozent gibt, nie krank und ständig verfügbar ist. Mit der Arbeit im Homeoffice sei das nicht zu vereinen. »Daher nehmen Fehltage am Arbeitsplatz kontinuierlich ab, Studien zeigen aber, dass die Menschen einfach häufiger krank zur Arbeit gehen«, sagt Flick.

Dass Männer und Frauen die neue Flexibilität unterschiedlich nutzen, hat kürzlich auch eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung gezeigt. Der Gender Care Gap ist demnach insbesondere unter den Beschäftigten im Homeoffice hoch. Mütter investieren pro Arbeitswoche knapp drei Stunden mehr in Kinderbetreuung, wenn sie von zu Hause aus arbeiten. Väter nutzen laut der Studie das Homeoffice ausschließlich, um deutlich länger zu arbeiten.

Einen Rechtsanspruch auf Heimarbeit hatte im Mai vergangenen Jahres dennoch auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eingefordert. Die Gewerkschaft verspricht sich, ent­gegen der Studienerkenntnisse der Böckler-Stiftung, positive Auswirkungen von der neuen Flexibilität. Entscheidend sei aber, dass es nicht allzu prekär zugeht: Die Arbeitszeit müsse auch im Homeoffice vollständig erfasst und vergütet und das Recht auf Nicht­erreichbarkeit in der Freizeit eingehalten werden.

Die Auswirkungen auf die Geschlechterverhältnisse schätzt Flick dagegen wenig positiv ein: »Man kann davon ausgehen, dass das Homeoffice bestehende private Geschlechterverhält­nisse eher zementiert als aufweicht.« Mehr Flexibilität habe bisher nirgends dazu geführt, dass Männer mehr Fürsorgearbeit leisten. Flexibilisierung sei andererseits aber auch nicht der Grund für die Ungleichheit. In einer Gesellschaft, in der Lohnarbeit »immer ohne Care gedacht« werde, könne Flexibilisierung aber nur dann positive Folgen für Arbeitnehmerinnen haben, wenn andere politische Maßnahmen diese flankierten. Das Homeoffice mag für Mitglieder bestimmter Berufsgruppen gut funktionieren.

Eine Vereinbarkeitsstrategie für Familie und Beruf ist es dennoch nicht. Für Frauen bedeutet die Heimarbeit in der Regel jedoch eine komprimierte Doppelbelastung. Nicht zuletzt ist eine Retraditionalisierung von Rollenbildern zu befürchten, wenn Lohnarbeit und Fürsorgearbeit unter einem Dach verrichtet werden müssen.