Indonesien nach der Präsidenschaftswahl

Jokowis zweite Runde

Die Präsidentschaftswahlen in Indonesien hat nach vorläufigen Ergebnissen der Amtsinhaber Joko Widodo gewonnen. Er musste Zugeständnisse an konservative Muslime machen.

Für manche hat es sich schon gelohnt. In vielen Geschäften in Indonesien gab es vergangene Woche Preisnachlässe für Kundinnen und Kunden, die mit blau gefärbtem Finger kamen, dem Zeichen dafür, dass sie bereits ihre Stimme abgegeben hatten. In der drittgrößten Demokratie der Welt und dem Land mit den meisten muslimischen Einwohnerinnen und Einwohnern wurden am 17. April sowohl ein neues Parlament als auch der Präsident und dessen Stellvertreter gewählt. Trotz Befürchtungen, dass sich viele der über 190 Millionen Wahlberechtigten ihrer Stimme enthalten könnten, lag die Wahlbeteiligung schließlich bei rund 75 Prozent.

Nach ersten Hochrechnungen hat sich der amtierende Präsident Joko Widodo, genannt Jokowi, mit 55 Prozent der Stimmen gegen seinen einzigen Konkurrenten, den ehemaligen Armeegeneral Prabowo Subianto, der 45 Prozent erzielte, durchgesetzt. Das offizielle Endergebnis soll erst am 22. Mai bekanntgegeben werden, da die logistischen Herausforderungen, an nur einem Tag auf fast 10 000 Inseln gleichzeitig zu wählen, enorm waren.

Anders als vor fünf Jahren, als beide Kandidaten schon einmal um das Amt wetteiferten und Widodo nur knapp gewann, ist der Abstand diesmal mit knapp zehn Prozentpunkten beziehungsweise 15 Millionen Stimmen deutlich größer. Dennoch verkündete Prabowo, wie auch schon vor fünf Jahren, dass er die Präsidentschaftswahl gewonnen habe. Für Karfreitag rief er zu einem großen Protestzug auf, letztlich versammelten sich aber nur 1.000 Menschen vor seinem Haus, wo sie ihn als Sieger feierten. Es ist durchaus möglich, das Prabowo auch dieses Mal die Wahlergebnisse vor Gericht anfechten wird und dafür Unregelmäßigkeiten anführt. Prabowos Kandidat für die Vizepräsidentschaft, Sandiaga Uno, ein reicher Unternehmer und ehemaliger Vizegouverneur von Jakarta, war das Vorgehen seines Mitstreiters deutlich unangenehm, er ließ wissen, sein Gesundheitszustand erlaube keine öffentlichen Auftritte. Zuvor hatte er mit Millionenbeträgen den Wahlkampf Prabowos großzügig mitfinanziert.

Mit Widodo hat sich eindeutig der progressivere Kandidat durchgesetzt. Er wird voraussichtlich viele seiner Infrastrukturprojekte weiterführen und die wirtschaftliche Anpassung des Landes an den globalen Markt forcieren. Es ist davon auszugehen, dass sich die Zusammenarbeit mit China, inbesondere bei dessen Projekt der »Neuen Seiden­straße«, weiter ­intensivieren wird. Noch einen Tag vor der Wahl eröffnete Widodo einen neuen U-Bahnabschnitt in Jakarta, ein Ereignis, über das alle Medien positiv berichteten. Zudem kann mit weiteren Investitionen im Bereich Bildung und Gesundheit für Arme gerechnet werden. Dennoch hat sein Sieg einen bitteren Beigeschmack. Um zu gewinnen, musste Widodo Zugeständnisse an konservative muslimische Kreise machen. Als sein Vizepräsident kandidierte Ma’ruf Amin. Er ist nicht nur für seine homophoben Ansichten bekannt, sondern spielte auch eine entscheidende Rolle, als es um die Verurteilung des früheren Gouverneurs von Jakarta und Vertrauten Widodos, Basuki Tjahaja Purnama, aufgrund von Blasphemievorwürfen ging. Bei religi­ösen, ethnischen und anderen Minderheiten wächst die Angst, zu Bürgerinnen und Bürgern zweiter Klasse zu werden.

Bei der Parlamentswahl kam die Demokratische Partei des Kampfes Indonesiens (PDI-P), der auch Widodo angehört, vorläufigen Ergebnissen zufolge mit knapp über 20 Prozent der Stimmen auf den ersten Platz und legte damit im Vergleich zu den Wahlen von 2014 um einige Prozentpunkte zu. Allerdings reicht dieser Anteil längst nicht, um regieren zu können. Stattdessen stehen komplizierte Verhandlungen über neue oder weiterzuführende Koalitionen an. Die wichtigsten bisherigen Bündnispartner waren Golkar (elf Prozent) und die Nationale Erweckungspartei (PKB, neun Prozent). Die Oppositionspartei Gerindra, der Prabowo vorsitzt, erzielte 13 Prozent. Auch bei der Besetzung des Kabinetts wird erwartet, dass die konservativen Muslime Schlüsselpositionen einfordern werden. Das könnte dringend notwendige Reformen behindern. Ministerposten werden in Indonesien nach wie vor als Zugriffsmöglichkeit auf öffentliche Gelder gesehen. Nicht wenige Minister haben sich in der Vergangenheit ausgiebig im Amt bereichert.

Da sich Widodo wiederholt Zweifeln an seiner Religiosität als Muslim aussetzt sah, biedert er sich an konservative Muslime an. Nicht nur reiste er zwei Tage vor der Wahl nach Mekka, um sich dort werbewirksam in weißem Gewand am heiligsten aller muslimischen Orte ablichten zu lassen. Im Zuge dieser Reise versprach Widodo auch, dass Indonesien in den nächsten Jahren eine größere Quote für Pilgerreisen nach Mek­ka zugesprochen werde. Unter Widodo ist zu erwarten, dass sich die Islamisierung der indonesischen Gesellschaft in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Bereits jetzt fragen sich manche, wer das Amt in fünf Jahren übernehmen wird. Da dem Präsidenten in Indonesien maximal zwei Amtszeiten erlaubt sind, kann Widodo nicht abermals antreten. Sein Stellvertreter Amin ist mit 75 Jahren sehr alt, und dass Prabowo nach zwei Niederlagen erneut antreten wird, gilt als unwahrscheinlich. Als aussichtsreichster zukünftiger Kandidat gilt derzeit Sandiaga Uno.