Donald Trump und die Russland-Connection

Ein explosiver Bericht

Der Mueller-Bericht belegt: Russland hat versucht, Einfluss auf die Republikanische Partei und Trumps Umfeld zu nehmen. Ist der US-Präsident erpressbar?

Wie der US-amerikanische Justizminister William Barr den Veröffentlichungs­termin des sogenannten Mueller-Berichts gewählt hat, ist nicht bekannt. Tatsache ist jedenfalls, dass dieser Donnerstag, der 18. April, der letzte Arbeitstag war vor Karfreitag und dem Beginn von Pessach, die dieses Jahr auf denselben Tag fielen. Kaum jemand würde die Feiertage damit verbringen, den Bericht von Sonderermittler Robert Mueller durchzulesen, könnte das Kalkül gewesen sein – und in der Woche darauf würde sich der von Barr verbreitete Eindruck weitgehend durchgesetzt haben, dass Donald Trump und seine Regierung darin vollumfänglich entlastet worden seien.

Der Mueller-Bericht lässt nur einen Schluss zu: Trump hat versucht, Ermittlungen gegen sich zu verhindern.

So kam es nicht. Während viele europäische Medien umgehend berichteten, dass die Untersuchungen des FBI keinerlei Folgen für den Präsidenten haben würden, wurden in den USA bereits Einzelheiten publik, die nur einen Schluss zulassen: Trump hat zumindest versucht, die Ermittlungen gegen sich zu verhindern – und gegen mehr als zehn seiner ehemaligen Mitarbeiter wird noch immer ermittelt, unter anderem wegen illegaler Zusammenarbeit mit russischen Stellen.

Ein guter Indikator dafür, wie sich das öffentliche Bild des Mueller-Berichts wandelte, sind die Tweets von Donald Trump. Zunächst hatte er triumphierend darüber geschrieben, dass er nunmehr rehabilitiert sei. »Belästigung des Präsidenten« nannte er die Untersuchung und kündigte an, sicherzustellen, dass seinen Nachfolgern nie wieder so etwas passieren könne. Dann wurde bekannt, dass der Bericht unter anderem mehrere Fälle dokumentierte, in denen Trump versucht hatte, die Justiz zu behindern, unter anderem dadurch, dass er sich aktiv bemühte, Mueller und dessen Vorgesetzten Rod Rosenstein feuern zu lassen. Dass ihm dies nicht gelang, lag nur daran, dass Mitarbeiter sich rundheraus weigerten, seine Anordnungen zu befolgen, oder sie stillschweigend ignorierten – was für den notorisch von seiner Allmacht überzeugten Präsidenten einer öffent­lichen Demütigung gleichgekommen sein dürfte.

Wie immer, wenn er sich unter Druck gesetzt fühlt, verfasste Trump während der Feiertage eine Reihe von Tweets, in denen er sich aggressiv über seine vermeintlichen Gegner und unbotmäßigen ehemaligen Mitarbeiter äußerte. Dabei zitierte er Tweets bekannter rechter Republikaner, aber auch von Verschwörungstheoretikern, in ­denen unter anderem von einem Coup, also einem Staatsstreich des FBI und der Demokraten, die Rede war. Eine Woche nach Erscheinen des Mueller-Berichts ist Trump auf Twitter immer noch damit beschäftigt, die Untersuchung zu delegitimieren – und Forderungen zu übernehmen, dass FBI-Agenten sich vor Gericht dafür verantworten müssten, aus politischen Gründen gegen den Präsidenten vor­gegangen zu sein.

Das dürfte unter anderem daran liegen, dass ein Amtsenthebungsverfahren nicht mehr ganz so unwahrscheinlich erscheint wie nach Barrs Rede. Der Bericht beweise ganz klar, dass Trump und seine Mitarbeiter weder die Justiz behindert noch mit Russland zusammengearbeitet hätten, hatte Justizminister Barr erklärt – was Robert Mueller und sein Team allerdings in ihrem Bericht offengelassen hatten. Die FBI-Ermittler hätten von Anfang an unter der vom Justizministerium vorgegebenen Prämisse arbeiten müssen, dass ein amtierender Präsident nicht angeklagt werden könne. Und weiter: »Entsprechend kommt dieser Bericht nicht zum Schluss, dass der Präsident eine Straftat verübt hat, entlastet ihn aber auch nicht.«

Die Deutsche Bank arbeitet mit den Ermittlern zusammen, die Trumps Finanzgebaren untersuchen.

Gründe, die Contenance zu verlieren, hat Trump allerdings ohnehin genügend. Die Deutsche Bank arbeitet mit den Ermittlern zusammen, die in New York Trumps Finanzgebaren untersuchen – die Unterlagen enthalten mutmaßlich Einzelheiten über Kreditvergaben und Risikobewertungen, Schriftwechsel und Gesprächsnotizen. Und sie werden vermutlich auch den Untersuchungsausschüssen des Repräsentantenhauses zugänglich gemacht werden, die sich mit Trumps Finanzen und der Herausgabe seiner Steuererklärungen beschäftigen. Die Demokraten, die im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben, könnten so nachweisen, dass der zum Zeitpunkt der Amtseinführung der New York Times zufolge mit 300 Millionen US-Dollar bei der Deutschen Bank verschuldete heutige Präsident erpressbar ist oder war.

»No collusion«, hatte Trump immer wieder behauptet, es habe keinerlei Absprache mit Russland gegeben – eine Phrase, die auch Barr übernommen hat, obwohl der Begriff collusion keinen Straftatbestand bezeichnet. Die US-Rechte sieht mittlerweile auch als erwiesen an, dass es, wie von Trump seit Jahren behauptet, keinerlei russische Versuche gegeben habe, die US-Wahlen zu beeinflussen.

Dagegen spricht allerdings ausgerechnet ein vom US-Justizministerium vor ­einigen Tagen herausgegebenes Memo. Es dokumentiert penibel das Vorgehen der russischen Agentin und Waffenlobbyistin Marija Walerjewna Butina. Am 26. April wurde sie zu 18 Monaten Haft verurteilt – zuvor hatten die Anklagebehörden und ihre Verteidiger übereinstimmend gefordert, sie nach dem Urteil umgehend nach Russland abzuschieben. Sollte das geschehen, würde die seit Juli in Untersuchungshaft Sitzende vor den Untersuchungsausschüssen des Kongresses nicht aussagen können.

Insgesamt liest sich das Memo wie eine Ergänzung des Mueller-Berichts, der in seiner Untersuchung der russischen Einflussnahme die Waffenlobbyisten der National Rifle Association (NRA) weitgehend ausgespart hatte. Genau diese Organisation war jedoch von Butina und ihrem Hintermann, dem ehemaligen stellvertretenden Leider der russischen Zentralbank und Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putins, Aleksandr Torschin, als Ziel ausgesucht worden – im Memo wird Torschin im Übrigen als mutmaßliches Mitglied der russischen Mafia bezeichnet, eine nicht neue Anschuldigung, der er allerdings immer widersprochen hat. Die Konzentration auf die Waffenlobby begründete Butina in einer vom FBI sichergestellten Notiz damit, dass die NRA »eine zentrale Rolle in der GOP (Grand Old Party, die Republikaner, Anm. d. Red.) spielt und maßgeblicher Parteispender ist« – die NRA benotet vor jeder Wahl beispielsweise die antretenden Kandidaten dahingehend, ob sie mit den Zielen der Organisation übereinstimmen.

Über Jahre hinweg besuchte die attraktive junge Frau, die bereits 2011 einen russischen NRA-Ableger gegründet hatte, Events der National Rifle Association und freundete sich gezielt mit wichtigen Männern an – einer von ihnen war der damalige Gouverneur von Wisconsin, Scott Walker, der später seine Kandidatur zur Präsidentschaftswahl bekannt gab. Das Interesse von Walker an einer Zusammenarbeit mit den Russen scheint sehr weit gegangen sein, Butina teilte dem damaligen russischen Botschafter Sergej Kisljak in einer Nachricht mit, dass sie ihm den Namen eines Beraters von Walker senden werde, der »nach Moskau kommen kann«.

Im Dezember 2015 besuchte eine Reihe NRA-Funktionäre Russland, arrangiert und teilweise finanziert wurde die Reise von Butina. Im Memo wird dies als »ein Teil des Plans der Verschwörer, einen inoffiziellen Kommunikationskanal einzurichten«, bezeichnet. Walker brachte der Kontakt zu den Russen ­allerdings keinen Erfolg: 2018 stellte er sich mit ausdrücklicher Unterstützung seines Freundes Trump zur Wiederwahl als Gouverneur, unterlag jedoch deutlich seinem demokratischen Herausforderer.

Butina konnte sich indessen bei ihrer Arbeit mutmaßlich der Unterstützung höchster russischer Politiker sicher sein. In einer Nachricht an Torschin schrieb sie, praktisch jeder in der russischen Regierung habe erkannt, dass die NRA ein »wertvoller Kontakt« sei. Wie wohl auch Trump einer war, den Butina 2015 auf dem »Freedom Fest« der Republi­kaner in Las Vegas getroffen hatte. In einem Gespräch hatte Trump ihr damals erklärt, er halte die US-Sanktionen gegen Russland für »nicht notwendig«, außerdem kenne er Putin und wisse, dass der keinerlei Respekt vor dem ­damaligen Präsidenten Barack Obama habe.

Im Februar 2017 sollte Butina einer Person aus dem Umfeld von Trumps Team für dessen Hilfe danken. Im Memo aus dem Justizministerium heißt es: »In den letzten fünf Jahren arbeiteten Torschin und Butina ständig daran, inoffizielle Kontakte (…) zu einer Reihe der wichtigsten republikanischen Or­ganisationen der USA auf- und auszubauen, inklusive des executive level, dem intellektuellen Establishment der Partei (…).«

Zudem wird dort auch Robert Anderson Jr., ein ehemaliger hochrangiger FBI-Funktionär, von 2012 bis 2014 stellvertretender Leiter der Abteilung für Gegenspionage, mit den Worten zitiert, dass »Marija Butinas Aktivitäten in den Vereinigten Staaten zwischen 2015 und 2017 Teil einer bewussten Spionageoperation der Russischen Föderation waren«. Deren Hauptziel sei es gewesen, »wertvolle Informationen zu sammeln«. Er gehe davon aus, dass diese Informationen von den russischen Geheimdiensten »in den kommenden Jahren« genutzt würden, »um Amerikaner auszuwählen und auf ihre Tauglichkeit zu überprüfen, die für die Rekrutierung als Nachrichtendienstressourcen ausländischer Dienste anfällig sein könnten«.

Interessanterweise ist das Barr-Memo, ebenso wie der Mueller-Bericht, zudem zumindest in Teilen die Verifikation des sogenannten Steele-Dossiers aus dem jahr 2016. Ursprünglich mit finanzieller Unterstützung des konservativen Nachrichtenkanals »The Washington Free Beacon« angefertigt, hatte sein Autor Christopher Steele, ehemals Desk Chief des britischen Geheimdiensts MI6, darin zusammengetragen, was seine Kontakte über Trump zu berichten hatten. Steele wird nachgesagt, auch nach seinem Ausscheiden aus dem aktiven Dienst ein gutes Verhältnis zu seinen ehemaligen Agenten zu pflegen. Zu ihnen gehört übrigens auch der ehemalige russische Spion Sergej Skripal, der gemeinsam mit seiner Tochter von russischen Geheimdienstlern im April 2018 vergiftet wurde. In Salisbury, dem Wohnort von Steele, in den auch Skripal gezogen war.