Autoritarismus in der EU

Weniger Demokratie wagen

Seite 2 – Verheerende Entscheidung

Von der Leyen hingegen suggeriert, es gehe um Patzer, die jedem einmal passieren können: »Wir alle müssen lernen, dass volle Rechtsstaatlichkeit immer unser Ziel ist, aber keiner ist perfekt.« Das sollte als Drohung verstanden werden. Man könnte ja hoffen, dass die nun angekündigte Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in allen EU-Staaten auch Defizite in Staaten aufdeckt und womöglich gar mit Sanktionen belegt, die nicht als Problemfälle gelten, etwa den lässigen Umgang deutscher Behörden mit rechtsextremen Terrornetzwerken. Doch scheint eher geplant zu sein, allen ein bisschen mehr Demokratiedefizit zu gestatten.

Hinter dieser Politik stehen mit Frankreich, dessen Präsident Emmanuel Macron die Nominierung von der Leyens initiiert hat, und Deutschland, dessen Kanzlerin Angela Merkel nach kurzem Zögern zustimmte, die Führungsmächte der EU. Widerspruch anderer Regierungen war bislang nicht zu vernehmen. Als Hindernis könnte sich jedoch das Parlament erweisen, das die EU-Kommission, bei deren Besetzung weitere Zugeständnisse an die Rechtsnatio­nalisten zu erwarten sind, bestätigen muss. Auch der Europäische Gerichtshof könnte angerufen werden, wenn nun offen bekundet wird, dass die Kommission die Durchsetzung geltenden Rechts aus politischer Rücksichtnahme gezielt verzögern will.

Es kann alles noch ganz anders kommen, als man im Rat plant, dennoch sind die Zugeständnisse an die Rechtsnationalisten eine verheerende Entscheidung. Die Oppositionellen in Polen, Ungarn und Italien müssen zur Kenntnis nehmen, dass die EU sie gegen illegale Maßnahmen ihrer Regierungen nicht zu schützen gedenkt, und rechte Politiker in allen EU-Staaten wissen nun, dass ihr Spielraum größer ist denn je.