Sperrgutbasar auf der Nordseeinsel Föhr

»Es gibt nichts Vergleichbares«

Möbel, Kleidung und Küchengeräte für lau: Auf der Nordseeinsel Föhr gibt es seit 27 Jahren einen Sperrgutbasar.
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Auf der Nordseeinsel Föhr gibt es seit 27 Jahren den Sperrgutbasar. Alltags­gegenstände aller Art können hier ­unentgeltlich weitergegeben werden. Auf zwei Etagen finden sich Möbel, eine Bibliothek, Küchengeräte und Kleidung. Renate Sieck leitet den Sperrgutbasar seit dessen Gründung und hat mit der Jungle World darüber gesprochen.

Welchen Stellenwert hat der Sperrgutbasar auf der Insel?
Einen sehr hohen. Durch den Sperrgutbasar fällt auf der Insel bis zu 40 Prozent weniger Sperrmüll an. Aber das ist nicht alles, der Sperrgutbasar ist für viele gerade ältere Insulaner zu einem wichtigen sozialen Treffpunkt geworden, wo sie auch mal einen Kaffee trinken können.

Jährlich kommen über 200 000 Touristen auf die Insel, der ­Bedarf an Ferienwohnungen wächst. Ist der Sperrgutbasar ­Ausdruck eines Protestes gegen die Verdrängung von Menschen mit niedrigem Einkommen von der Insel?
Ja, so kann man das auch sehen. Viele Insulaner beschweren sich über die vielen Touristen und mittlerweile ist auch eine Auslastungsgrenze erreicht. Dazu muss man aber auch sagen, dass die Insel den Tourismus braucht. Viele leben direkt oder indirekt von den Feriengästen.

Was unterscheidet den Sperrgutbasar von klassischen Sozialkaufhäusern?
Meine Devise ist: Wer zwei hat, gibt dem was ab, der keins hat. Der Sperrgutbasar ist aber, und das war mir besonders wichtig, für alle offen, egal ob du Geld hast oder keins, ob du aus Afghanistan kommst oder aus Dunsum. Das spielt alles keine Rolle. Die Gemeinschaft und der Austausch stehen im Mittelpunkt. Es muss sich ­niemand wegen seiner Armut verstecken, bezahlt werden muss gar nichts, und wer spenden kann, der spendet eben. Dieses Konzept funktioniert, der Sperrgutbasar schreibt durchgehend schwarze Zahlen.

Alle Arbeit wird ehrenamtlich geleistet. Was motiviert Sie?
Verantwortung trägt man nicht nur für das, was man tut, sondern auch immer für das, was man nicht tut. Der Sperrgutbasar war eine Notwendigkeit, und wenn ich könnte, würde ich noch anbauen. Aber wir haben sehr viel Spaß und es kommt Anerkennung zurück. Es gibt viele Leute, die Kaffee oder Kuchen vorbeibringen.

Was sagt der Überschuss an Alltagsgegenständen über die Gesellschaft aus?
Klar sehe ich Probleme. Einerseits freue ich mich, dass die Dinge zu uns gebracht und nicht einfach weggeworfen werden. Aber manchmal ist es schon erschreckend, wie viel gebracht wird, gerade im Herbst, wenn die Ferienwohnungen renoviert werden. Zu wenig ist es auf keinen Fall, gerade an Textilien kommt viel mehr, als auf der Insel gebraucht wird. Dieser Überschuss fließt weiter an andere soziale Projekte.

Kennen Sie andernorts vergleichbare Projekte?
Es gibt meines Wissens nichts Vergleichbares. Wir sind kein Sozialkaufhaus und auch kein Tauschladen. Man kann mit leeren Händen kommen und mit vollen wieder weggehen. Hier wird nicht über Geld geredet, sich nicht geschämt und auch nicht geprahlt.

Taugt das Konzept als Vorbild für andere Orte?
Vor allem Feriengäste sind begeistert und wünschen sich Vergleichbares in ihrer Stadt. Das funktioniert aber nur, wenn sie das auch selbst in die Hand nehmen. Das geht natürlich nicht in der Freizeit, wenn man sonst berufstätig ist. Man muss also schon etwas älter sein. Wir bekommen viel Lob und das Modell würde genauso auf dem Festland funktionieren. Man würde damit besser gegen die Wegwerfgesellschaft arbeiten.