Wohnungsnot in Deutschland

Schafft neue Sozialwohnungen

Seite 3 – Enteignung und sozialer Wohnungsbau

In Deutschland hingegen ist die Protestbewegung von Wohnungslosen noch klein. »Menschen, die nicht wissen, wo sie übernachten können, haben meist so große Probleme, dass sie sich kaum organisieren«, sagte Nicole Lindner von der Initiative »Wohnungslosenparlament in Gründung« der Jungle World. Sie plant wie bereits zu Anfang dieses Jahres auch im Januar 2020 eine mehrtätige Mahnwache vor dem Berliner Roten Rathaus. Für Lindner ist die Wohnungslosigkeit und nicht die fehlende Statistik der Skandal. Es habe in den vergangenen Jahren genügend wissenschaftliche Studien und Untersuchungen über Wohnungslosigkeit in einzelnen Regionen gegeben. »Jetzt sollte daher nicht eine neue Statistik, sondern endlich bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden«, sagt Lindner und bringt damit die Meinung vieler Menschen auf den Punkt, die sich in Deutschland gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit ­engagieren.

Lindner verweist darauf, dass es genügend leerstehenden Wohnraum gebe, der eben für die Unterbringung von Wohnungslosen enteignet werden müsste. Ob das allein in einer Stadt wie Berlin noch ausreichen würde, um alle Wohnungslosen zu versorgen, ist allerdings fraglich. Eva Willig, die sich in der Berliner Erwerbslosen- und Mietenbewegung engagiert, verweist im Gespräch mit der Jungle World auf das amtliche Leerstandskataster. Mit diesem Instrument soll offengelegt werden, wo Wohnraum leersteht oder zweckentfremdet wird. Auch Werena Rosenke von der BAG W sieht im Fehlen von bezahl­barem Wohnraum das Kernproblem.

Die Initiative Neuer Kommunaler Wohnungsbau (INKW) hat bereits vor fünf Jahren in einem Aufruf gefordert, viel stärker einen neuen sozialen Wohnungsbau zu fördern. Denn es sind die Profitinteressen der Immobilienbranche, wegen derer die Menschen kein Dach über dem Kopf haben. Fast täglich werden Mieter zwangsgeräumt. Viele von ihnen landen in die Wohnungs- und Obdachlosigkeit. In der Berliner Mieterbewegung ist es mittlerweile weitgehend Konsens, nicht nur diejenigen zu vertreten, die noch eine Wohnung haben, sondern sich auch mit den Forderungen der Menschen zu solidarisieren, die bereits wohnungslos sind. Das könnte Betroffene darin bestärken, dass nicht sie schuld an ihrer ­Situation sind, und dürfte wirkungs­voller sein als eine neue Statistik über Wohnungs- und Obdachlosigkeit.