Ausstellung »Exil und Fotografie«

Genau an diesem Ort

Seite 3 – Alltagsleben im Palästina

»Rudi Weissenstein – Exil und Fotografie« ist die Ausstellung betitelt. Allerdings ließe sich durchaus in Frage stellen, ob Weissenstein überhaupt als Exilant bezeichnet werden kann. Als überzeugter Zionist war Weissenstein, um in der klassischen Diktion zu bleiben, aus der Diaspora nach Hause gekommen, er hatte Alijah, also den Aufstieg, gemacht. In der alten Welt wurden bis auf seinen Vater alle engeren Familienmitglieder ermordet.

Jene Immigranten, die in Israel nicht heimisch wurden, repräsentiert in der Ausstellung die deutsch-amerikanische Fotografin Ellen ­Auerbach, die 1906 in Karlsruhe geboren wurde und 2004 in New York City starb.

Christian Boltanski: »Jüdische Schule« (1939/1992).

Bild:
Christian Boltanski, Galerie Klüser

Abgesehen von einem – alles andere als optimistischen – Selbstporträt ist auf ihren Fotos ebenfalls das Alltagsleben im Palästina der dreißiger Jahre zu ­sehen. Die Aufnahmen bilden Menschen nicht frontal ab, sondern ­zeigen sie seitlich, von hinten oder in größeren Gruppen – in jedem Fall undeutlich, fragmentiert. Beim Spazierengehen am Tel Aviver Strand, bei der Tashlikh-Zeremonie an Rosh Hashanah oder kurz nach der Beschneidung eines Neuge­borenen lässt sich kein vorwärtsgewandter Heroismus erkennen; viel eher Ratlosigkeit, Trott oder Melancholie.

Die aus bürgerlichen Verhältnissen stammende Ellen Rosenberg studierte Kunst und Fotografie, war Mitbegründerin eines Studios für Werbe- und Porträtfotografie in Berlin und gehörte zur hedonistischen Boheme. 1933 emigrierte sie mit ihrem späteren Ehemann Walter Auerbach nach Palästina und eröffnete in Tel Aviv ein auf Kinderfotografie spezialisiertes Studio. 1936 verließ sie Palästina wieder und gelangte über Umwege in die USA. Mit dem Leben im entstehenden Staat Israel war sie nie vertraut geworden, zu hart waren die Lebensbedingungen, zu unsicher die Situation während der militärischen Auseinandersetzungen mit den arabischen Nachbarländern.