Rechte Hegemonie in Ostdeutschland

Aufmarsch Ost

Seite 2 – Opfermythos statt Analyse

Tatsächlich hat die ostdeutsche Gesellschaft eine ähnliche Transformation durchgemacht wie die ehemals sowjetischen Staaten, in denen die neuen Verhältnisse in Verbindung mit ökonomischen Krisen ebenfalls zu einem massiven Ausbruch nationalistischer Gewalt geführt hatten. Doch haben sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in den vergangenen 30 Jahren verändert, Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit sind in Ost und West mittlerweile fast gleich.

Der fortbestehende pay gap zwischen den neuen und den alten Bundesländern dient nur begrenzt der Erklärung, schließlich wählen Frauen wegen ihrer schlechteren Entlohnung auch nicht vermehrt rechte Parteien. Der ständige Verweis auf den »abgehängten Osten« dient weniger der Analyse, als dem Opfermythos, der von allen Parteien genährt wird.

 »Die fühlen sich betrogen. Aus dieser Demütigung und dem Verletztsein entsteht Wut«, sagte etwa die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) im vergangenen Jahr dem Spiegel. Zu diesem tradierten Gefühl der Demütigung durch »den Westen« kommt der Stolz, schon einmal auf der Straße ein System gestürzt zu haben (siehe Seite 4).

Als die Macht der Straße kurz nach dem Mauerfall ein zweites Mal eingesetzt wurde, hatte sich die in den Anfangstagen der Wendeproteste von manchen Beteiligten noch als demokratische Forderung verstandene Parole »Wir sind das Volk« bereits zum völkischen Schlachtruf entwickelt. In Hoyerswerda (1991) und Rostock-Lichtenhagen (1992) schaute der Staat der Menschenhatz zu, was die Rechten als Erfolg empfanden.