US-Rechtsterrorismus und Verschwörungstheorien

Von der Ideologie zum Attentat

In den USA hat das FBI in einem internen Dokument Verschwörungstheorien erstmals als Motivation für Inlandsterrorismus bezeichnet.

Wie gefährlich der Inlandsterrorismus ist, haben die jüngsten Anschläge in den USA erneut gezeigt. In einem Anfang August bekannt gewordenen, auf den 30. Mai datierten nachrichtendienstlichen Bericht der Außenstelle in Phoenix, Arizona, geht der Inlandsgeheimdienst FBI davon aus, dass US-amerikanische Extremisten durch Verschwörungstheorien angefeuert werden. Diese teilt das Dokument in drei verschiedene Kategorien ein: regierungsfeindlich, identitätsbasiert und fringe theories (etwa: randständige Theorien).

Jüdische Fake-Profile sollen die üblichen Verschwörungstheorien über Juden als Wahrheit darstellen. 

Als »regierungsfeindlich« gelten Verschwörungsideologien über eine »Neue Weltordnung« (NWO), also der Glaube, dass eine »internationale Elite« die Welt steuere, sowie solche, wonach die Vereinten Nationen die Souveränität der USA zerstören wollten – unter »UN« zusammengefasst –, und false flag-Theorien, die davon ausgehen, dass Anschläge und Massaker in Wirklichkeit von der Regierung selbst initiiert werden. Als »identitätsbasiert« bezeichnet das FBI die antisemitische Verschwörungstheorie vom »Zionist Occupied Government« (ZOG), derzufolge die Regierung von zionistischen Agenten kontrolliert werde, sowie »Islamberg«, die Behauptung, eine kleine muslimische Gemeinde in Hancock, New York, sei in Wirklichkeit eine terroristische Schläferzelle. Als fringe theories führt der Bericht etwa die mittlerweile weltweit verbreitete Verschwörungstheorien »Qanon« und »Pizzagate«.

Das zuerst von Yahoo veröffentlichte Dokument beschäftigt sich auf 15 Seiten mit »den Auswirkungen von Ideen, die versuchen, Ereignisse oder Umstände als das Resultat der Arbeit einer Gruppe von Akteuren zu erklären, die im Geheimen davon auf Kosten anderer profitieren«, und das vollkommen konträr zu den offiziellen Erklärungen dieser Ereignisse und Umstände. Verschwörungstheorien, so die Einschätzung des FBI, führten »sehr wahrscheinlich« dazu, dass »bestimmte Menschen, Orte und Organisationen« Ziel krimineller und in manchen Fällen gewalttätiger Aktivitäten werden. Als »sehr wahrscheinlich« gilt laut Anhang C des Berichts, was mit 80 bis 95 Prozent Wahrscheinlichkeit eintritt. Zu den im Bericht aufge­listeten Fällen, in denen Anhänger von Verschwörungsideologien zu Tätern wurden, zählt unter anderem der Terroranschlag am 27. Oktober 2018 auf die Tree-of-Life-Synagoge in Pittsburgh mit elf Toten. Solche Attentate zeigten, wie »durch von den Anhängern weiter ausgebaute Theorien« beeinflusst werden könne, »welche Ziele Extremisten auswählen«, so das Resümee.

Diejenigen, die gewohnheitsmäßig Verschwörungstheorien und Hass verbreiten, zeigten sich von den Erkenntnissen des FBI allerdings weitgehend unbeeindruckt. Anfang vergangener ­Woche wurde bekannt, dass in einem Posting auf dem Imageboard »4chan« – neben »8chan« für die Verbreitung rassistischer und misogyner Inhalte berüchtigt – dazu aufgerufen worden war, massenhaft jüdische Fake-Profile bei Facebook und Twitter anzulegen. ­»Juden sind eine geschützte Klasse«, hieß es dazu, entsprechend dürften Juden sagen, was sie wollten. Die Fake-Profile sollten gezielt dazu genutzt werden, die üblichen Verschwörungs­theorien über Juden als Wahrheit hinzustellen. Darüber hinaus sollten die 4chan-Accounts radikale linke Forderungen aufstellen und damit für Unruhe und Zwietracht unter tatsächlichen Juden sorgen. »Selbst wenn sie unsere Pläne erkennen, werden eher rechte Juden linke Juden als Fake bezeichen. Und das wird zur Spaltung beitragen«, hieß es in dem Aufruf.