נושא - Die Ultraorthodoxen in Israel

Die Macht der Gottesfürchtigen

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Dem Café Bastet mag ein Punktsieg gelungen sein, doch viele liberale ­Israelis sind davon überzeugt, dass der Konflikt mit den immer mächtiger werdenden Religiösen zukünftig in vielen Bereichen eskalieren wird. Denn obwohl die »Gottesfürchtigen« derzeit nur zwölf Prozent der Bevölkerung ­ausmachen, sind sie – bei durchschnittlich 6,5 Kindern pro Familie – die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe in Israel und könnte bis 2065 ein Drittel aller Staatsbürger ausmachen. Insgesamt besteht das ultra­orthodoxe Judentum aus verschiedenen Strömungen, die alle die buchstabengetreue Einhaltung der religiösen ­Gesetze fordern. Äußere Einflüsse wie Filme, das Internet oder enger Kontakt mit säkularen Israelis werden ihnen von ihren Rabbinern nicht empfohlen, wenn nicht gar verboten.

»Die wachsende politische Macht der Ultraorthodoxen hat zu Veränderungen in der israelischen Regierungspolitik geführt, die die Wirtschaft und das Sozialsystem belasten«, sagt der Wirtschaftswissenschaftler Dan Ben-David von der Universität Tel Aviv der Jungle World. »Die Einbeziehung religiöser Parteien in israelische Koalitionen hat die nationalen Prioritäten verändert«, sagt er, »enorme finanzielle Investi­tionen zum Aufbau religiöser Siedlungen im Westjordanland gingen einher mit einem erheblichen Geldtransfer an die Haredim, etwa in Form von höheren Sozialleistungen und mehr Subventionen für ihre Schulen.«

Auch die betreffenden Bereiche des Bildungsministeriums bestimmten die Haredim. »Obwohl es zur Aufgabe gehört, die weltlichen und orthodoxen Schulnetzwerke verschiedener Glaubensrichtungen parallel, mit einem begrenzten Maß an Unabhängigkeit und einem gemeinsamen Lehrplan, zu verwalten, gab es in Israel zuletzt mehr Bibelstunden als Mathematikunterrichtet.«

Bei den jüngsten Parlamentswahlen am 9. April erhielten die ultrareligiösen Parteien insgesamt 16 Sitze, ihr bislang bestes Ergebnis. Vor allem die Partei Vereinigtes Tora-Judentum der aus Mittel- und Osteuropa stammenden aschkenasischen Juden sowie die Shas-Partei der religiösen Juden mit hauptsächlich nahöstlich-nordafrikanischem Hintergrund sahen zunächst wie der sichere Koalitionspartner von Ministerpräsident und Wahlsieger Benjamin Netanyahu aus. Doch die Regierungsbildung nach den Wahlen im April scheiterte, weil die säkularen und die religiösen rechten Parteien keine Einigung erreichen konnten. Nun sind für den 17. September Neuwahlen angesetzt. Ob es im Anschluss zu einer erneuten Koalition zwischen den Parteien der Rechten kommen wird, gilt derzeit als ungewiss, der Streit zwischen säkularen und religiösen Parteien könnte entscheiden, welche Regierung gebildet wird.