Die AfD und Israel

Persilschein, bitte

Die AfD beteuert ihre Unterstützung für Israel. Doch die Sympathiebekundungen haben rein instrumentellen Charakter.

Im Februar 2018 schien es, als sei der AfD ein Coup gelungen. Für ihre Veranstaltung zu »altem und neuem Anti­semitismus« im deutschen Bundestag hatte die Partei einen besonderen Laudator gewonnen: Der ehemalige israelische Minister Rafael Eitan, wegen seiner Rolle bei der Verhaftung Adolf Eichmanns 1960 als »Geheimdienst­legende« gepriesen, schickte per Video eine Grußbotschaft. Er hoffe, die AfD könne »die Politik der offenen Grenzen« beenden und die »Islamisierung« aufhalten. Es folgte ein Vortrag des früheren Rabbiners Chaim Rozwaski.

Ein ehemaliger »Nazijäger« aus Israel attestierte der AfD, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben – einen besseren Persilschein hätte die skandal­gebeutelte Partei kaum bekommen können. Die AfD-nahe Junge Freiheit berichtete begeistert über die Videobotschaft. Im Leserforum der Zeitung sah es anders aus: Viele Beiträger zeigten sich wenig begeistert von den jüdischen Gästen. Insbesondere Rozwaskis Dank an die Rote Armee für die Rettung seiner Familie im Zweiten Weltkrieg erregte die Gemüter. Dann distanzierte sich die israelische Botschaft vom ehemaligen Minister Eitan, der schließlich auch selbst Abstand von seiner Grußbotschaft an die AfD nahm. Er sei, ließ der ehemalige Geheimdienstmann mitteilen, nicht richtig informiert gewesen.

Es wäre ein Novum in der deutschen Rechten jenseits der Union gewesen: eine rechtspopulistische Partei, die sich hauptsächlich mit der Islam- und Zuwanderungsthematik befasst, aber ein wirtschaftsliberales Profil, transatlan­tische Bündnistreue und eine proisraelische Überzeugung aufweist. Eine solche Organisation nach dem Vorbild der niederländischen »Partei für die Freiheit« von Geert Wilders war es wohl, die der Gründer der AfD, Bernd Lucke, ­anstrebte.

Der Traum vom prowestlichen Nationalliberalismus platzte in der AfD jedoch mit der Absetzung Luckes durch ein Bündnis völkisch-nationaler Kräfte. Der brandenburgische AfD-Vorsitzende Andreas Kalbitz hat eine veritable Vergangenheit als Neonazi. Kürzlich kam heraus, dass er 2007 zu einer Delegation um den damaligen NPD-Vorsitzenden Udo Voigt gehört hatte, die damals die nationalsozialistische, antisemitische Partei »Goldene Morgenröte« in Athen besucht hatte. Im selben Jahr war er zu Gast auf einem Zeltlager der rechtsextremen und seit 2009 verbotenen »Heimattreuen Deutschen Jugend«. Kalbitz’ thüringischer Amtskollege Björn Höcke hat ein ähnliches Vorleben. Seine Autorenschaft für eine NPD-Zeitschrift wird selbst behördlich nicht mehr angezweifelt.

 

Der Frontalangriff der AfD auf die deutsche »Erinnerungskultur« wird auch in Israel registriert. Vor der Bundestagswahl 2017 warnte ein großer israe­lischer Fernsehsender: »Es ist auch eine Partei, die den Blick auf die Nazivergangenheit ändern will. Es ist dramatisch.« Der Parteivorsitzende Alexander Gauland machte mit seinen Aussagen über die »Leistungen deutscher Soldaten in zwei Weltkriegen« und den Nationalsozialismus als »Vogelschiss« in 1000 Jahren deutscher Geschichte auch in Israel Schlagzeilen. Wenn die AfD den muslimischen Antisemitismus thematisiert, ist dies taktisch motiviert. Denn während die Partei Judenfeindschaft und Kriminalität muslimischer Zuwanderer propagandistisch ausschlachtet, finden die gleichen Probleme etwa bei deutschrussischen Einwanderern keine Erwähnung. Schließlich stellen diese ein wichtiges Wählerpotential für die AfD.

Der instrumentelle Charakter proisraelischer Äußerungen von rechtsextremer Seite wurde bereits in dem 2017 erschienenen Sammelband »AfD und FPÖ. Antisemitismus, völkischer National­ismus und Geschlechterbilder« anhand zahlreicher Beispiele aufgezeigt. Auch die österreichische FPÖ buhlte unter Heinz-Christian Strache erfolglos um die Gunst Israels. Nur der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán kann sich guter Beziehungen zur Regierung von Benjamin Netanyahu rühmen. Gemeinsam ist beiden nicht nur die innenpolitische Mischung aus Klientelpolitik und sozialer Härte, sondern auch die Feindschaft gegen den Investor und Großmäzen Georg ­Soros. Orbáns antisemitische Rhetorik gegen Soros scheint Netanyahu nicht zu stören.

Nicht alle im AfD-Milieu befürworten die Anbiederung an Israel. Manuel Ochsenreiter, der bis Januar dieses Jahres AfD-Referent im Bundestag war, sympathisiert beispielsweise mit dem iranischen Regime. 2008 posierte er im Libanon auf einem von der Hizbollah zerstörten israelischen Panzer. Ochsenreiter war auch zu Gast beim neurechten Institut für Staatspolitik in Schnell­roda. Dort gibt sich die AfD-Führung die Klinke in die Hand, auf der dies­jährigen Sommerakademie Ende September soll die Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel sprechen. Der Cheftheoretiker des Instituts für Staatspolitik ist Thor von Waldstein, der in den achtziger Jahren den NPD-Studentenverband leitete, für die Partei als Kandidat zur Europawahl antrat und sich auch bei der NPD-Jugendorganisation engagierte. Waldstein, Autor der »Thesen zum Islam«, einer »grundlegenden neurechten Standortbestimmung«, bewundert den Islam als »wesentliche Kulturquelle des alten Europa« und beschwört die Verbundenheit der Europäer mit »den Völkern des ­Islam«. Für ihn sind Israel und die USA die Wurzel allen Übels, auch des islamischen Terrorismus. Stolz wies die Institutszeitschrift Sezession im vergangenen Jahr auf die Übersetzung von Waldsteins »Thesen zum Islam« in der ehemals maoistischen, mittlerweile ­nationalistischen türkischen Zeitschrift Aydınlık hin.

 

Wenn es um Israel geht, hält sich die Sezession meist bedeckt, anders als beim Thema Antisemitismus. Dessen Bedeutung werde in Deutschland überschätzt, er sei eine Reaktion auf die »Glaubens- und Lebensformen«, auf den »National- wie Sozialcharakter der Juden« gewesen, heißt es in einem Text mit dem Titel »Was heißt ›Anti­semitismus‹?«. Die Zeitschrift begrüßte, dass der baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Wolfgang Gedeon trotz antisemitischer Äußerungen nicht aus der Partei ausgeschlossen wurde. Für die Autoren der Sezession gehört er in eine Reihe mit Martin Hohmann und Martin Walser, denen mit »politischer Korrektheit« und der »Antisemitismuskeule« übel mitgespielt worden sei. Der Chefredakteur Götz Kubitschek schwadronierte 2016 über ein »weltweit hervorragend aufgestelltes Judentum« und gab zu bedenken: »Wir bewegen uns ja fraglos sofort in ­tabubewehrten Zonen, wenn wir über die weltgeschichtliche Bedeutung des Judentums, des Zionismus oder der Holocaustindustrie nachdenken und unsere Gedanken äußern.« Ähnliches ließ er bereits 2009 verlauten, als er anlässlich des Prozesses gegen den ehemaligen KZ-Wärter John Demjanjuk schrieb, dass »man in Deutschland auf Messers Schneide tanzt, wenn man laut über einen nachdenkt, der seinen Wachdienst in Konzentrationslagern abgeleistet hat«. Ganz so verdruckst geht es nicht immer zu: Das von Kubitschek verlegte Traktat »Finis Germania« von Rolf Peter Sieferle ist schlicht ein anti­semitischer Text.

Das heißt nicht, dass man in Schnellroda abgeneigt wäre, jüdisch-israelische Gäste für die PR zu nutzen, wie der Besuch des Autors Tuvia Tenenbom 2017 zeigte. Dieser fand die Menschen dort furchtbar nett und ließ das alle Welt wissen, diese Verharmlosung fand allerdings ohne nähere Kenntnisse von ­Inhalten und Geschichte des Schnellroda-Komplexes statt. Wenn es der Nutzen rechtfertigt, halten es Neurechte eben auch einmal mit den Juden und Israel. Doch Freunde Israels sehen anders aus.