Die unheilige Allianz zwischen Sport und Musik

Olé Olé Olé Olé Germany Olé!

Manche Dinge passen nicht zusammen: Zum Beispiel Alkohol und Autofahren, Gehirnchirurgie auf Acid oder auch Sport und Musik. Wir haben die schlimmsten musikalischen Verbrechen im Namen des Sports zusammengetragen.

Hier ist nicht der Platz für kulturtheoretische Erörterungen darüber, ob der Schuster bei seinen Leisten bleiben soll oder ob Menschen auch mal was anderes sein können, als sie sind. Er soll nicht und sie können, was denn sonst?

Es gibt aber Kombinationen, die man besser bleiben lässt, weil selten etwas Gutes dabei herauskommt: Alkoholgenuss und Autofahren zum Beispiel. Gehirnchirurgie auf Acid. »Tagesschau« gucken, nachdem man einen Joint geraucht hat.

Oder auch Sport und Musik. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte haben sich immer wieder einzelne Sportlerinnen, ganze Teams und sogar Sportjournalisten an musikalische Experimente gewagt und die gingen alle so aus wie jenes des Doktor Frankenstein: Monster wurden geboren. Hier ein paar der schlimmsten dieser Verbrechen wider den Geschmack.

Los Angeles Rams: »Let’s Ram It!«

Seit die Spieler der Chicago Bears 1985 mit dem »Super Bowl Shuffle« einen Überraschungshit landeten, wollten Manager anderer American-Football-Clubs das nachmachen. So dachten wohl die Los Angeles Rams ein Jahr später, es wäre eine gute Idee, das Team einen Song einsingen zu lassen. Zu generischer Spät-Achtziger-Mucke der Sorte »U Can’t Touch This« für ganz Arme durfte jeder Spieler eine kurze Rap-Einlage zum (hüstel) Besten geben, bevor wieder der Refrain ertönte. Vorgetragen wurde das alles in voller Ernsthaftigkeit, denn keinem der Verantwortlichen schien aufzufallen, wie doppeldeutig große Teile der Lyrics waren. »Let’s Ram It« hat daher bis heute Kultstatus bei Fans unfreiwilliger Komik.
»I’m quick off the line as I can be cuz I don’t want dick running over me.«
»Let’s ram it! If you know how to do it just ram it! If you do it just right, you can ram it all night.«
»I come from the end, looking for the sack / I don’t stop coming until I put them on their back.«
Immerhin gab es auch Momente der relativen Klarheit wie diesen:
 »We can’t sing and our dance is not pretty / but we’ll do the best for the team and the city.«

 

 

Micaela Schäfer, Yvonne Wölke und Andreas Ellermann: »Germany Olé«

Vor der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 brachten, wie vor jeder WM, Hinz und Kunz Musikstücke auf den Markt, um vom großen Sportkommerzkuchen ein kleines Stück abzubekommen. Da wollten auch der Hamburger Immobilienspekulant und Extremfußballfan Ellermann und die beiden Models Schäfer und Wölke dabei sein. Zu einem stumpfen Bauern-Beat und einer ebenso stumpfen Melodie reihte das Trio Klischees und peinliche Reime aneinander. Seine volle Fremdschäm-Power entfaltet das Machwerk freilich erst zusammen mit dem Musikvideo, in dem Schäfer und Wölke, gekleidet in schwarz-rot-goldene Bikinis, Ellermann umtänzeln und ihren Body shaken.
»Es ist Russlands große Seele, die uns irgendwie bewegt. Und wir sind auf einer Welle, die uns bis nach Moskau trägt.«
»Mit Herz und Leib und Seele für die Farben der Nation. Für alle Zeit, ein ganzes Leben – Fußball, unsere Religion.«
»Olé Olé Olé Olé Olé Germany Olé.«

 

Hans Orsolics: »Mei potschertes Lebn«

In den sechziger Jahren war der Wiener Hans Orsolics einer der besten Halbweltergewichtsboxer der Welt. Er wurde Europameister und Weltranglistenerster und verdiente dabei Millionen, die er in den siebziger Jahren wieder verlor – wegen Alkoholabhängigkeit, Fehlinvestitionen und vieler »Freunde«, die den in Geldfragen unerfahrenen Mann ausnutzten. Wegen diverser Schlägereien brachte es Orsolics auf 14 Verurteilungen und mehrere Jahre Gefängnis. Mitte der achtziger Jahre strahlte der ORF eine Dokumentation über Orsolics aus, der, inzwischen von Sozialhilfe lebend, wieder bei seinen Eltern wohnte. Das brachte den Wiener Liedermacher Charly Kriechbaum auf die Idee, einen Song für den ehemaligen Boxer zu schreiben, den dieser selbst singen sollte. Die Single »Mei potschertes Lebn« (Mein ungeschicktes Leben) wurde zum Nummer-eins-Hit und half Orsolics dabei, seinen Schuldenberg abzutragen und wieder im bürgerlichen Leben Fuß zu fassen. Der sentimentale Song, vorgetragen mit einer Stimme, die kaum die Töne traf und nach Karaoke mit zwei Promille klang, räsonierte Orsolics im Ton der österreichischen Massenpsychologie, wegen der sich viele Österreicher passiv-aggressiv als Opfer und Verlierer imaginieren.
»I hob valuan, wie nur ana valiern kann, der a Herz statt an Hirn hat, aber ich genier mi net.«
»I hob erlebt wie ma friern konn, wenn ma Freundschaft mit Bledheit verwechselt und des wor immer mei Lebn, mei potschertes Lebn.«

 

FC Liverpool: »Anfield Rap«

Die achtziger Jahre waren ohnehin das goldene Jahrzehnt der unheiligen Allianz zwischen Sport und Musik, und so hielt es auch die Mannschaft des FC Liverpool 1988 für eine tolle Idee, einen Team-Song aufzunehmen. Heraus kam dabei eine schreckliche Ohrenfolter, verursacht durch »HipHop für Kinder«-Beats und Kicker, die so überzeugend rappten wie ein besoffener weißer Zahnarzt. Noch brutaler wird die Sache durch das Musikvideo, in dem sich die Spieler mit seitwärts aufgesetzten Baseball-Mützen und kiloschwerem Blingbling behangen zum Affen machten. Das Stück wurde trotzdem ein Hit und schaffte es bis auf Platz drei der britischen Charts.
»Liverpool FC, Liverpool FC, aah, aah, aah, aah.«
»Well I’m rapping now, I’m rapping for fun. I’m your Goalie, the number one.«
»No, they don’t talk like we do, do they do la. We’ll have to learn ’em to talk propah.«
»Liverpool FC is hard as hell.«

 

Franz Beckenbauer: »Gute Freunde kann niemand trennen«

1966 versuchte sich Beckenbauer als Schlagersänger und erreichte mit seiner braven Ode an die Kameradschaft immerhin Platz 33 der deutschen Hitparade. Auf Youtube kann man ein Video einer leicht abgewandelten Version des Liedes finden, in dem Beckenbauer mitsamt der damaligen Nationalmannschaft Werbung für die ARD-Fernsehlotterie macht. Es ist … speziell. Die Jungs tragen alle die gleichen Adidas-Trainer, schauen drein wie Soldaten, die gerade den Befehl für eine Selbstmordmission bekommen haben, und beklatschen Beckenbauer pflichtbewusst und fast ängstlich. Etwa so müssen Sitzungen des Politbüros in Nordkorea ablaufen.
»Lasst doch die andren reden. Was kann uns schon geschehn? Wir werden heut und morgen nicht auseinandergehn.«
»Gute Freunde kann niemand trennen. Gute Freunde sind nie allein. Weil sie eines im Leben können – füreinander da zu sein.«

 

Chor österreichischer Sportreporter: »Grüß euch, wir sind aus Öst’reich«

Die Fußball-WM 1978 in Argentinien und vor allem der Sieg über Deutschland ist in Österreich seit 40 Jahren eine Art umgekehrtes »Remember the Alamo« – immer wieder kommt man darauf zu sprechen, wie man es den »Piefkes« damals gezeigt habe. Und jahrzehntelang wurde der emotionale Ausbruch des Rundfunkreporters Edi Finger nachgeäfft, der beim spielentscheidenden Tor durch Hans Krankl wie am Spieß brüllte: »Tooor, Tooor, Tooor, Tooor! I werd narrisch!« Weniger bekannt ist, dass neun österreichische Sportberichterstatter vor der WM eine Single aufnahmen, die etwa so klingt, als hätten betrunkene Nazis ein Tonstudio in Nashville gestürmt und die armen Musiker mit vorgehaltener Luger gezwungen, ihr Gejaule und Gebrülle mit so etwas Ähnlichem wie Musik zu unterlegen. Zackig wirken wollender, aber doch nur lächerlich weinseliger und einstimmiger Chorgesang trifft auf Country und Western. Die Mischung ist grausam, ein akustisches Verbrechen gegen die Menschheit.
»Grüß euch, wir sind aus Öst’reich. Wir sind wieder mit dabei. Grüß euch, wir sind aus Öst’reich. Der Gegner ist uns einerlei.«
»So fröhlich wird’s nicht immer gehen. So gut, wie’s uns halt so gefällt. Jedoch ihr werdet alle sehen: Es bleibt die heile Fußballwelt.«