Der britische Premierminister Boris Johnson beharrt auf einem EU-Austritt am 31. Oktober

Lieber tot in einem Graben

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Auch Rechtsextreme fühlen sich von Johnson repräsentiert und loben die rabiaten Methoden des neuen Premierministers. Bei Umfragen erhalten die Tories derzeit etwa 37 Prozent Zustimmung, Labour kommt nur auf 22 Prozent. Für die stärkste Oppositionspartei erscheinen Wahlen vor dem 31. Oktober, derzeitigen Termin für den EU-Austritt, daher riskant, ein Antrag Johnsons auf Neuwahlen fand im Parlament keine Mehrheit. Zunächst soll eine weitere Verlängerung der Frist für den EU-Austritt ausgehandelt werden.

Sollte es vor dem EU-Austritt Neuwahlen geben, wäre dieser das wichtigste Thema. Johnson hat offenbar viele Ausstiegsbefürworter wieder für die Tories gewonnen. Die dürftigen Umfrage­ergebnisse von Labour dürften vor allem darauf zurückzuführen sein, dass die Partei keine klare Position zum EU-Austritt hat. Ihr Vorsitzender Jeremy Corbyn steht unter immer stärkerem innerparteilichen Druck, sich für einen Verbleib in der EU auszusprechen, besteht aber darauf, dass eine Entscheidung darüber erst nach Neuwahlen gefällt werden soll. Bei der Labour-Konferenz am Montag stimmte die Mehrheit der Delegierten für diese Politik.

Derzeit wird gerätselt, ob Johnson sich an die gesetzliche Verpflichtung halten wird, bis zum 19. Oktober mit der EU ein Ausstiegsabkommen auszuhandeln oder die EU um eine Verlängerung der Austrittsfrist zu bitten. Den Behauptungen seiner Regierung, die Verhandlungen stünden kurz vor dem Durchbruch, haben die EU-Verhandlungspartner öffentlich widersprochen. Irlands stellvertretender Ministerpräsident und Außenminister Simon Coveney etwa bemerkte in ­einem Interview, dass es nicht akzeptabel sei, den »Backstop« abzulehnen, aber keine anderen Lösungen vorzuschlagen, um eine »harte Grenze« auf der irischen Insel nach dem EU-Austritt zu verhindern.

Johnsons geht es möglicherweise darum, mit Scheinverhandlungen dem Gesetz formal zu genügen. Wenn Großbritannien am 1. November ohne ­Abkommen die EU verlässt, wird er wohl behaupten, er habe alles unternommen, um ein Abkommen zu ­er­zielen. Eine Verlängerung der Austrittsfrist will er nicht beantragen – er läge lieber »tot in einem Graben«, sagte er.

Am Dienstag urteilte der Supreme Court, die prorogation sei ungesetzlich. Unter anderem Corbyn und der Parlamentssprecher John Bercow forderten, die Abgeordneten müssten sofort wieder tagen. Doch Johnson wollte am Montag eine zweite prorogation explizit nicht ausschließen. Vielleicht überlegt er bereits, was er der Queen diesmal erzählt.