Literaturwissenschaftlerin Elisabeth Frenzel

Eine ausgezeichnete Antisemitin

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Herbert Frenzel verteidigte seine Frau: Sie sei kein NSDAP-Mitglied gewesen, habe ihr Dissertationsthema nicht frei gewählt und bereue diese »Jugendsünde« – eine Behauptung, an der man zweifeln kann. Denn warum wird der Ton ihrer Arbeit sogar von ihrem Doktorvater als besonders hetzerisch eingestuft, wenn sie doch eigentlich nicht hetzen wollte? Warum arbeitete sie nach ihrer Disserta­tion am Institut zur Erforschung der Judenfrage, wenn sie das Thema doch gar nicht freiwillig gewählt hatte? Und weshalb antwortete sie nicht selbst auf den Brief von Witsch? Noch verwunderlicher, aber typisch für Verlage in dieser Zeit, war die Reaktion von Joseph Caspar Witsch: »Wir sind keine Entnazifizierungsbehörde und haben weder Lust noch Neigung, uns um das Privatleben unserer Autoren zu kümmern, noch sind wir dazu berechtigt.« Witsch war selbst Mitglied der NSDAP, bewahrte allerdings heimlich jüdische und ­sozialistische Werke vor der Vernichtung durch die Nazis.

Elisabeth Frenzel äußerte sich nicht. Schweigen und aussitzen – auch in Zukunft sollte das ihre Erfolgs­strategie sein. Ganz ohne Konsequenzen kam sie allerdings nicht durch. Für die »Daten Deutscher Dichtung« zeichnete in den ersten Auflagen nur Herbert Frenzel als Herausgeber verantwortlich. Offenbar war es Witsch zu riskant, den Verkaufserfolg mit Elisabeth Frenzels Namen auf dem Cover zu gefährden. Einen versteckten Hinweis auf ihr Engagement gibt aber die Einleitung. Hier heißt es: »Schließlich bekennt der Herausgeber, daß die Mühe des Zusammensuchens, Nachprüfens, Rückfragens, Formulierens und Ordnens zu einem erheblichen Teil nicht von ihm allein getragen worden ist.« Dass dieser Satz Elisabeth gewidmet ist, zeigen die späteren Auflagen. Hier wird sie als Herausgeberin genannt und der zitierte Satz ist aus der Einleitung gestrichen worden. Es schien genug Gras über die »Jugendsünde« gewachsen zu sein.

Obwohl Elisabeth Frenzels NS-Vergangenheit bereits 1951 ans Licht ­gebracht worden war, konnte sie weitgehend problemlos ihre Karriere fortsetzen – teilweise sogar ihren ideologischen Überzeugungen folgen, wie Weidermanns Kritik am Kanon in den »Daten deutscher Dichtung« zeigt. An die Stelle antisemitischer Hetzsprache trat im Lexikon die ­Auslassung jüdischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller. Getarnt werden konnte der Antisemitismus hier mit der angeblichen Objektivität und Wertfreiheit der »Daten«. Erst aufgrund wiederholter Kritik wurden einige Lücken geschlossen; nach dem Artikel von Weidermann nahm der Verlag das Buch nach der 35. Auflage 2009 aus dem Programm.