Massenproteste in Hongkong

Wunsch und Wirklichkeit in Hongkong

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Der Gesetzentwurf ist dennoch ein weiterer öffentlichkeitswirksamer Erfolg für die sogenannte Demokratie- und Autonomiebewegung in Hongkong, da er ihrem hohen Stellenwert in der globalen Medienberichterstattung Rechnung trägt und hilft, die Stadt als Ort eines weltgeschichtlichen Kampfs für Freiheit und gegen Tyrannei darzustellen. Weit verbreitet sind die Bilder von Protestierenden in Hongkong, die britische und US-amerikanische Flaggen schwenken, während chinesische Flaggen zerstört werden und militante Demonstrierende Brandsätze auf Polizisten werfen.

Der Gesetzentwurf ist aber auch von einem gewissen Nutzen für das System der Volksrepublik China. Diese prangert seit Beginn der Proteste im Juni – inmitten des Handelskonflikts mit der US-Regierung – die ausländische Einmischung in Hongkongs Angelegenheiten an. (Nicht ganz so deutlich hatte sie das auch 2014 während der Proteste der »Occupy«-Bewegung in Hongkong getan.) Die ausdrücklichen Appelle und Petitionen für eine US-amerikanische Unterstützung, einschließlich des Gesetzes, bestätigen eine Behauptung der nationalistischen chinesischen Propaganda, die ­Demokratie als eine heuchlerische, chaotische und ­widerwärtige Form von Politik darstellt.

Die prowestliche Symbolik der Protestbewegung ist eine bewusste Provokation. Von den USA viel zu erwarten, ist allerdings illusorisch. Zwar gibt es Menschen, die sich eine Intervention der USA oder anderer ausländischer Mächte wünschen – und noch viele andere mehr, die in der Volksrepublik China das schlimmste Übel der Welt sehen –, doch gibt es keine Aussicht auf ein solches Eingreifen in Hongkong im Namen der Freiheit. Die westlichen Staaten haben weder die Absicht noch die Mittel dazu. Die Auseinandersetzungen in Hongkong sollten auch nicht als ein Konflikt angesehen werden, in dem man entweder China vor dem westlichen Imperialismus verteidigen oder aber dabei helfen muss, die unterdrückten Bürger Hongkongs zu retten. In diesem Konflikt stehen sich vielmehr die Protestbewegung Hongkongs und die Regierung Chinas gegenüber, er kann nur in diesem Rahmen gelöst werden. Die US-Regierung sieht den Konflikt im Kontext der Bemühungen, den Aufstieg des Konkurrenten China zu bremsen; viele Demokraten in Hongkong wollen auch die Einparteiregierung auf dem Festland beenden, was ein frommer Wunsch bleiben dürfte.