Massenproteste in Hongkong

Wunsch und Wirklichkeit in Hongkong

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Was wird passieren? Auf kurze Sicht wahrscheinlich nichts. Die Provokationen der Protestbewegung – insbesondere des gewaltbereiten Teils, der die Berichterstattung mittlerweile dominiert – scheinen darauf ausgerichtet zu sein, die chinesische Regierung dazu herauszufordern, zu intervenieren, das Kriegsrecht zu verhängen und die Krise gewaltsam zu beenden. Dies würde entweder zu einer Revolution oder zum En­de der Autonomie Hongkongs führen. Ein Erfolg eines Massenaufstands ist höchst unwahrscheinlich, ein Ende der Autonomie würde die Verhältnisse in Hongkong denen in Festlandchina angleichen. Aber es scheint keine andere schlüssige Erklärung zu geben für die Haltung des militanten Teils der Protestbewegung, der leidenschaftlichen Hongkonger Lokalpatrioten und jener, die den Zuzug vom Festland ablehnen. Vielleicht hegen die Militanten die illusorische Hoffnung, dass Hongkong völlige Autonomie oder eine de facto-Unabhängigkeit gewährt werden könnte.

Doch glücklicherweise ist eine direkte, gewaltsame Intervention unwahrscheinlich. Die chinesische Regierung hätte davon wenig, die Bemühungen um eine Integration Hongkongs würden möglicherweise noch weiter zurückgeworfen.

Die Regierung der Volksrepublik China und die Hongkongs unter Carrie Lam scheinen fest entschlossen zu sein, nichts zu unternehmen und die Bewegung langsam abflauen zu lassen; eine solche Entwicklung ist bei jeder Protestbewegung zu erwarten. Tatsächlich ist die Beteiligung an den Massenprotesten bereits zurückgegangen, nicht allerdings die Zahl der militanten und gewalttätigen Aktionen; auch das Vorgehen der Polizei ist gewalttätiger geworden. Viele Einwohner Hongkongs empört es, dass die Protestierenden die Einrichtung von Nahverkehrsbahnhöfen zerstören, zudem haben die Demonstrationen negative wirtschaftliche Folgen.

Die chinesische Regierung kann es sich mittlerweile leisten, Hongkong in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht schwächer werden oder stagnieren zu lassen. Sie möchte möglicherweise auch die Rolle der Stadt als Verteilzentrum für ausländisches Kapital vom und zum Festland beenden, dies ist allerdings ein schwieriger und langwieriger Prozess. Hongkong bleibt auf jeden Fall abhängig von in Peking getroffenen wirtschaftlichen Entscheidungen.

Die Strategie der chinesischen Regierung steht im Einklang mit gewissen traditionellen Gepflogenheiten, ­etwas zu bewirken, indem man nichts tut und sich weigert zu handeln. Aber es wäre ein schwerwiegender Fehler anzunehmen, die Weigerung, eine Entscheidung zu erzwingen, wäre ein Sieg der Demokratie oder würde der Protestbewegung Zeit verschaffen, Fortschritte zu bewirken. Hongkong prosperiert nicht mehr und die soziale Ungleichheit wird immer größer, auch wenn die Protestbewegung in den sozialen Medien gefeiert wird. Das einzige Mittel gegen die Krise in Hongkong sind politische und soziale Reformen, die vorläufig aber nicht zu erwarten sind.