Den Abzug der US-Truppen aus Syrien will die Türkei zum Einmarsch in kurdische Gebiete nutzen

Zum Abschuss freigegeben

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Politisch bedeutsamer ist allerdings die Haltung der USA, Russlands und des Iran, die alle im syrischen Bürgerkrieg mitmischen. Während Irans ­Außenminister Mohammed Javad Zarif die Türkei noch am Sonntag davor warnte, »die Souveränität Syriens zu verletzen«, forderte Russlands Außen­minister Sergej Lawrow den Rückzug »aller ausländischen Truppen« aus ­Syrien. In den USA wurde die Ankündigung Trumps, die US-Truppen zurückzuziehen, auch von republikanischen Politikern vehement kritisiert. Trump gelobte daraufhin, die Wirtschaft der Türkei »total zu zerstören«, wie er das zuvor getan habe, wenn sie etwas tue, das er als »Tabu« betrachte. Es ­werde »großen Ärger« geben, sollte »irgendwer von unseren Leuten verletzt werden«.

Die Lage an Ort und Stelle erscheint widersprüchlich. Einige US-Soldaten wurden tatsächlich von der Grenze zur Türkei zurückgezogen. Zugleich sagte eine Sprecherin des von Trumps Entscheidung überraschten Verteidigungsministeriums, dass die Türkei aus dem Combined Air Operations Center der Koalition gegen den »Islamischen Staat« (IS) ausgeschlossen werde. Das würde türkische Luftangriffe in Nord- und Ostsyrien erheblich erschweren. Dann hätten die Syrischen Demokra­tischen Kräfte (SDF) eine Chance, den Angriff zurückzuschlagen oder zumindest lange aufzuhalten und der türkischen Armee empfindliche Verluste zuzufügen.

Unterdessen zieht nicht nur die Türkei an der Nordgrenze ihre Truppen zusammen, sondern auch die syrische Regierungsarmee südlich des Euphrat und südlich von Manbij, dem SDF-­Gebiet westlich des Euphrat. Auf kurdischer Seite nährt dies Spekulationen, dass es eine Absprache zwischen Russland und der Türkei geben könnte und die Region zwischen dem Regime und einer türkischen Besatzungszone aufgeteilt werde. Vertreter der SDF hatten immer bekräftigt, notfalls das Gebiet eher der syrischen Armee zu unterstellen, als es der Türkei zu überlassen.

Anfang der Woche kündigten die SDF an, das Gebiet gegen die Türkei »zu ­jedem Preis« zu verteidigen. Einige Einheiten der SDF, die bisher mit der ­Bewachung gefangener IS-Kämpfer betraut waren, wurden schon abgezogen. Die Bewachung der IS-Gefangenen habe nur noch »zweite Priorität«, sagte Mazlum Kobanê, der Oberkommandierende der SDF, am Dienstag.

Viele der gefangenen Jihadistinnen und Jihadisten hatten gehofft, die ­Türkei werde sie nach einem Einmarsch befreien. Auch manche europäische Gefangene in den Camps hofften auf eine Rückkehr nach Europa, einen ­Wiederaufbau des IS in Syrien oder ein Leben in der Türkei.