Landtagswahl in Thüringen

Der lahmende Vorreiter

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Für eine Kontroverse innerhalb der Koalition sorgte die Reform des Thüringer Verfassungsschutzes, mit der Konsequenzen aus den Erkenntnissen der NSU-Untersuchungsausschüsse gezogen werden sollten. Die Reform blieb hinter manchen Erwartungen zurück. So wurden zwar alle aktiven Vertrauenspersonen des Verfassungsschutzes deaktiviert und dessen Kontrolle durch das Parlament wurde verbessert. V-Leute dürfen seither nur noch in begründeten Einzelfällen zum Zweck der Terrorismusbekämpfung eingesetzt ­werden. Abgeschafft wurde die Behörde aber nicht. Abgeordnete der Linkspartei hatten dies wiederholt gefordert. »Eine intransparent und geheim operierende Behörde gehört nicht in die Demokratie«, sagte Susanne Hennig-Wellsow, die Landes- und Fraktionsvorsitzende der Thüringer Linkspartei, einem Bericht der Thüringer Allgemeinen zufolge 2016 auf einem Parteitag in Eisenberg. Gegen eine Abschaffung der Behörde sprach sich vor allem die SPD aus. Im August vergangenen Jahres forderte Georg Maier, der sozialdemokratische Innenminister des Freitaats, mehr Personal für die Behörde.

Eine von der Landesregierung angestrebte Gebietsreform scheiterte. Wegen des Bevölkerungsrückgangs in vielen ländlichen Regionen sollte die Reform die 17 Landkreise des Bundeslands in acht Kreisen zusammenfassen. 1990 lebten noch 2,6 Millionen Menschen in Thüringen. Mittlerweile sind es nur noch 2,2 Millionen. Sinkt die Bevölkerungszahl in einem Landkreis, nimmt dieser weniger Steuern ein. ­Zudem erhält der Kreis weniger Zuwendungen vom Bund und der EU. Würden die Landkreise zusammengelegt, fiele der finanzielle Verlust geringer aus, da jeder einzelne Kreis mehr Einwohner hätte. Doch zahlreiche Landräte protestierten gegen die Reform. Der Verein »Selbstverwaltung für Thüringen« begann ein Volksbegehren ­gegen sie. Nachdem das von der oppositionellen CDU angerufene Landesverfassungsgericht in Weimar die Gebietsreform aufgrund eines Formfehlers für verfassungswidrig erklärt hatte, ließ die Landesregierung das Vorhaben fallen.

Manche in der Linkspartei organisierte Strömungen wie die »Antikapitalistische Linke« (AKL) sprechen sich gegen eine Neuauflage der rot-rot-grünen Koalition aus, da »angeblich ›realpolitische‹ Handwerkelei im vorgegebenen Rahmen keine ausreichende linke Perspektive« biete, wie es in einer im September veröffentlichten Stellungnahme der AKL heißt. Ramelow möchte die Koalition hingegen fortsetzen. Auch die Regierungsparteien streben dies offenbar an. Im Juni beschlossen sie schließlich ein Gesetz für den Landeshaushalt des kommenden Jahres.
Dass die drei Parteien gemeinsam erneut genug Stimmen für eine absolute Mehrheit erhalten werden, ist allerdings unwahrscheinlich. Einer Ende vergangenen Monats publizierten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa zufolge könnte die Linkspartei bei der bevorstehenden Wahl 29 Prozent der Stimmen erhalten und damit ihr Ergebnis von 2014 um einen Prozentpunkt verbessern. SPD und Grüne sollen dieser Umfrage zufolge aber nur jeweils neun Prozent erzielen, die Oppositionsparteien CDU und AfD zusammen genauso viele Stimmen auf sich vereinen wie die drei Regierungsparteien. Wenn die FPD, die den meisten Umfragen zur Landtagswahl zufolge etwa fünf Prozent der Stimmen erhalten dürfte, in den Landtag einziehen sollte, könnten Linkspartei, SPD und Grüne wohl nur noch eine Minderheitsregierung bilden. Bislang verfügt die Koalition über eine Mehrheit von nur einer Stimme im Landtag.

Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck plädierte angesichts dessen, dass die Bildung einer Mehrheitsregierung schwierig werden dürfte, für Gespräche zwischen CDU und Linkspartei nach der Wahl. Am 3. Oktober sagte Gauck in einem Interview mit dem Fernsehsender N-TV: »Ich muss doch imstande sein, einen Hardcore-Kommunisten, der Mitglied in der ›Linken‹ ist, zu unterscheiden von einem Ministerpräsidenten, der aus der gewerkschaftlichen Tradition stammt und der doch gezeigt hat, dass er mit einem ­linken Profil dieser Gesellschaft nicht schadet.« Einem Bericht des MDR zufolge schließt die CDU eine Koalition mit der Linkspartei allerdings kategorisch aus, weil diese eine »in weiten Teilen radikale Partei« sei, wie Raymond Walk, der Generalsekretär der Thüringer CDU, dem Sender sagte.