Der türkische Einmarsch in Nordsyrien

Statt Vertreibung Unterdrückung

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Tagelang hatten die Kurden an die USA appelliert, den Luftraum über Syrien für die Türkei zu sperren. Einen Tag vor Beginn der Invasion hatten die USA die Koordination der Militärflüge (Air Tasking Order) beendet. Das sah zunächst wie eine gezielte Behinderung der türkischen Kriegsführung aus. Da die Beendigung aber nicht mit einem offiziellen Flugverbot verbunden wurde, dürfte sie die türkischen Einsätze wohl eher erleichtert haben, denn die Türkei musste sich in der Folge nicht mehr bei jedem Flug mit den US-Amerikanern absprechen.

Trotz der militärischen Überlegenheit der Türkei kommt ein Rückzug für die kurdische Verwaltung nicht in Frage. Die große Mehrheit der kurdischen Bevölkerung wohnt nicht weiter als 30 Kilometer von der Grenze entfernt. Viele sind die Nachkommen von Flüchtlingen, die nach einem gescheiterten Aufstand 1925 aus der Türkei in dieses Gebiet kamen. Deshalb wurden sie vom syrischen Ba’ath-Regime lange Zeit wie Staatenlose behandelt. Wenn die kurdische Verwaltung in Grenznähe zerbräche, hätten sie keinen Ort mehr, an den sie sich zurückziehen könnten. Das Regime Bashar al-Assads ist für sie immer noch das geringere Übel, denn es würde sie wenigstens nicht vertreiben. Das gilt auch für die christliche Bevölkerung des Gebiets, Nachfahren von Überlebenden des Völkermords von 1915.

Im UN-Sicherheitsrat stimmten die USA und Russland einmütig gegen eine Verurteilung der türkischen Invasion. Der russische Präsident Wladimir Putin und Assad sind Nutznießer der Situation. Putin stellte sogar die Angriffe auf das von der Türkei kontrollierte Gebiet um Idlib ein, zumindest für eine Woche. Stattdessen versuchten Truppen des Regimes mit iranischer Unterstützung, in die kurdisch kontrollierte Region einzudringen. Zunächst wurde das abgewehrt, doch kurz darauf musste der Kommandeur der SDF, Mazlum Kobanê Abdi, Russland und damit auch das Regime Assads um Hilfe bitten. So leicht hat Assad noch keine Schlacht im Bürgerkrieg gewonnen.