In Brandenburg wird über die Rückgabe von den Nazis enteigneter Grundstücke gestritten

Umstrittenes Land

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Im September 2004 demonstrierten autonome Antifaschisten unter dem Motto »Antisemiten angreifen!« in Groß Gaglow, weil sich Anwohner gegen Forderungen der Jewish Claims Conference (JCC) wehrten. Sie hatten sich im »Verein der Restitutionsbedrohten« zusammengeschlossen und protestierten gegen jegliche finanzielle Ausgleichszahlung. »Man kann die Schicksale der Menschen nicht gegeneinander setzen«, sagte Karl Homer, der Vorsitzende des Vereins, damals im Gespräch mit der Lausitzer Rundschau. »Es geht hier um Untaten der Nazis, dafür müsste die Bundesrepublik geradestehen«, so Homer. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in Brandenburg lehnte alle Forderungen der Nachkommen der ehemaligen Besitzer ab. 

Im vergangenen Jahr entschied das Bundesamt für offene Vermögensfragen, dass mehrere der betreffenden Grundstücke an die JCC, die Rechtsnachfolgerin der ehemaligen jüdischen Eigentümer, rückübertragen werden sollen. Bei einer Protestkundgebung im Mai vergangenen Jahres sagte Dieter Schulz, der Ortsvorsteher von Groß Gaglow, es könne nicht sein, »dass sich die Eigentümer eventuell mit der JCC in Verbindung setzen, einen Vergleich ›aushandeln‹, um dann ihr Grundstück erneut kaufen zu können«. Am Ende dieser im Mai 2018 gehaltenen Rede verweigerte sich der Ortsvorsteher im Namen seiner Mitbürger generell einem Dialog mit der Jewish Claims Conference. Die NGO sei für die Anwohner »kein Verhandlungspartner«. 

Im November vergangenen Jahres schaltete sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in die Angelegenheit ein. In einem offenen Brief wandte Woidke sich an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Darin schrieb er, dass es andere Wege geben müsse, »um von den Nationalsozialisten an Juden begangenes Unrecht auszugleichen«. Konkrete Vorschläge machte der Sozialdemokrat nicht. Stattdessen versuchte er, das Problem an das Bundesinnenministerium zu delegieren: »Ich würde mich sehr freuen, wenn wir hier mit Ihrer (Horst Seehofers, Anm. d. Red.) Unterstützung und gegebenenfalls unter Aufzeigen eines Gesprächsweges mit der Jewish Claims Conference zu einer Lösung kommen könnten.« 

Nun soll der durch die brandenbur­gische Staatskanzlei berufene Schlichter Jürgen Kipp, der ehemalige Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, den Streit beilegen. Als Voraussetzung für den Beginn des Schlichtungsverfahrens vereinbarten alle Beteiligten Stillschweigen. »Es hilft in der Sache nicht weiter, wenn durch wen auch immer Emotionen geschürt werden«, sagte der Chef der brandenburgischen Staatskanzlei, Martin Gorholt (SPD), dem RBB. Das eingeleitete Verfahren soll in zwei Phasen ablaufen. Zuerst will man klärungsbedürftige Fragen miteinander erörtern. Sollte es in der ersten Phase zu einem Einvernehmen kommen, will man in der zweiten Phase konkrete Vereinbarungen treffen.