In Brandenburg wird über die Rückgabe von den Nazis enteigneter Grundstücke gestritten

Umstrittenes Land

1935 enteigneten die Nazis den Landbesitz der Jüdischen Landarbeit GmbH in Südbrandenburg. Die Forderungen der Jewish Claims Conference, die Grundstücke an die Nachkommen ihrer ehemaligen Besitzer zu übertragen, stoßen bei den derzeitigen Eigentümern auf Widerstand. Ein Schlichter soll vermitteln.

Die Aufregung ist groß. »Juden wollen in Cottbus Deutsche aus ihren Häusern vertreiben«, titelte die neonazistische Kleinpartei »Der III. Weg« auf ihrer Homepage. Doch auch viele Anwohner meinen, man könne vergangenes Unrecht nicht mit neuem Unrecht vergelten. Es geht um märkischen Grund und Boden, den die Nationalsozialisten jüdischen Siedlern raubten. Die Frage der Restitution der betreffenden Grundstücke schwelt seit mehr als 25 Jahren in Groß Gaglow, einem Ortsteil von Cottbus. 

Der Ortsvorsteher von Groß Gaglow verweigerte sich im Namen seiner Mitbürger einem Dialog mit der Jewish Claims Conference.

Anfang der dreißiger Jahre begannen antizionistische Juden im Süden Brandenburgs ein landwirtschaftliches Projekt. Sie waren mehrheitlich Mitglieder des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten. Die von ihnen gegründete Jüdische Landarbeit GmbH kaufte 1930 ein Rittergut in Groß Gaglow, um es in 29 Parzellen aufzuteilen. So wollte die GmbH eine Möglichkeit schaffen, dem anwachsenden Antisemitismus im Osten der Weimarer Republik zu entfliehen, ohne nach Palästina auswandern zu müssen. 

Der Widerstand gegen die Neuankömmlinge formierte sich schnell in der Region. Im August 1932 detonierten im Keller eines fast fertiggestellten Wohnhauses der jüdischen Siedler zwei Bomben. Die Ermittlungen konzentrierten sich bald auf die lokale NSDAP. Die Partei bestritt eine Beteiligung an der Tat. Knapp einen Monat nach dem Anschlag nahm die Polizei fünf NSDAP-Mitglieder aus Cottbus fest. 

Im Mai 1935 enteigneten die Nazis die jüdischen Siedler schließlich und übergaben die Siedlung einer »arischen« Gesellschaft. Die Mindestanforderung für die Bewerber gab die Reichshauptabteilung I des Reichsnährstandes in einer Dienstanordnung bekannt: Jeder Bewerber um eine Neubauernstelle sollte »in politischer Hinsicht unbedingt zuverlässig sein«. 

 

Im September 2004 demonstrierten autonome Antifaschisten unter dem Motto »Antisemiten angreifen!« in Groß Gaglow, weil sich Anwohner gegen Forderungen der Jewish Claims Conference (JCC) wehrten. Sie hatten sich im »Verein der Restitutionsbedrohten« zusammengeschlossen und protestierten gegen jegliche finanzielle Ausgleichszahlung. »Man kann die Schicksale der Menschen nicht gegeneinander setzen«, sagte Karl Homer, der Vorsitzende des Vereins, damals im Gespräch mit der Lausitzer Rundschau. »Es geht hier um Untaten der Nazis, dafür müsste die Bundesrepublik geradestehen«, so Homer. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen in Brandenburg lehnte alle Forderungen der Nachkommen der ehemaligen Besitzer ab. 

Im vergangenen Jahr entschied das Bundesamt für offene Vermögensfragen, dass mehrere der betreffenden Grundstücke an die JCC, die Rechtsnachfolgerin der ehemaligen jüdischen Eigentümer, rückübertragen werden sollen. Bei einer Protestkundgebung im Mai vergangenen Jahres sagte Dieter Schulz, der Ortsvorsteher von Groß Gaglow, es könne nicht sein, »dass sich die Eigentümer eventuell mit der JCC in Verbindung setzen, einen Vergleich ›aushandeln‹, um dann ihr Grundstück erneut kaufen zu können«. Am Ende dieser im Mai 2018 gehaltenen Rede verweigerte sich der Ortsvorsteher im Namen seiner Mitbürger generell einem Dialog mit der Jewish Claims Conference. Die NGO sei für die Anwohner »kein Verhandlungspartner«. 

Im November vergangenen Jahres schaltete sich Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) in die Angelegenheit ein. In einem offenen Brief wandte Woidke sich an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU). Darin schrieb er, dass es andere Wege geben müsse, »um von den Nationalsozialisten an Juden begangenes Unrecht auszugleichen«. Konkrete Vorschläge machte der Sozialdemokrat nicht. Stattdessen versuchte er, das Problem an das Bundesinnenministerium zu delegieren: »Ich würde mich sehr freuen, wenn wir hier mit Ihrer (Horst Seehofers, Anm. d. Red.) Unterstützung und gegebenenfalls unter Aufzeigen eines Gesprächsweges mit der Jewish Claims Conference zu einer Lösung kommen könnten.« 

Nun soll der durch die brandenbur­gische Staatskanzlei berufene Schlichter Jürgen Kipp, der ehemalige Präsident des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg, den Streit beilegen. Als Voraussetzung für den Beginn des Schlichtungsverfahrens vereinbarten alle Beteiligten Stillschweigen. »Es hilft in der Sache nicht weiter, wenn durch wen auch immer Emotionen geschürt werden«, sagte der Chef der brandenburgischen Staatskanzlei, Martin Gorholt (SPD), dem RBB. Das eingeleitete Verfahren soll in zwei Phasen ablaufen. Zuerst will man klärungsbedürftige Fragen miteinander erörtern. Sollte es in der ersten Phase zu einem Einvernehmen kommen, will man in der zweiten Phase konkrete Vereinbarungen treffen.