Tod eines Afghanen durch Polizeigewalt

Keine Stille nach dem Schuss

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Einer Recherche der Taz zufolge erschossen Polizisten zwischen 2009 und 2017 hierzulande 74 Menschen. 38 von diesen waren offenbar psychisch krank. Darunter waren auch Flüchtlinge, die wegen der Verfolgung in ihren Herkunftsländern, der Strapazen der Flucht und der Lebensbedingungen in Deutschland unter psychischen Problemen litten.

Amad Alizadas Bruder Rahmat schilderte der Süddeutschen Zeitung die Flucht seiner Familie aus der von den Taliban terrorisierten Provinz Ghazni: Einige Familienmitglieder seien nach Pakistan geflohen, eine Schwester sei nach Kasachstan gegangen. Er selbst sei nach Australien geflohen, wo er Kriminologie studiere. Er habe sich bemüht, seinen jüngeren Bruder Aman nach Australien zu holen, was wegen einer Verschärfung der dortigen Asylgesetze nicht möglich gewesen sei. Aman Alizada sei zunächst mit einigen Familienmitgliedern in die pakistanische Stadt Quetta geflohen. 2015 sei er über den Iran, die Türkei und Griechenland nach Deutschland gekommen.

Rahmat Alizada war seinen Aussagen zufolge erleichtert, als er erfuhr, dass sein Bruder in Deutschland Asyl beantragt hatte. Er könne nicht verstehen, dass Aman ausgerechnet in dem Land, in dem er ihn in Sicherheit geglaubt habe, von einem Polizisten erschossen worden sei. So reagierte auch der Vater des afghanischen Flüchtlings Matiullah J., nachdem sein Sohn am 18. April vergangenen Jahres in Fulda von einem Polizisten erschossen worden war. Auch Matiullah J. litt unter psychischen Problemen. Der Polizist, der für seinen Tod verantwortlich ist, wurde freigesprochen und ist wieder im Dienst.

Am vorvergangenen Samstag demonstrierten Freunde des Getöteten und antirassistische Gruppen aus Niedersachsen und Hamburg in Stade. Nach Angaben des niedersächsischen Flüchtlingsrats beteiligten sich mehr als 200 Menschen an der Demonstration. Sie forderten ein transparentes Ermittlungsverfahren und kritisierten die unzureichende psychosoziale Versorgung von Flüchtlingen hierzulande. Der psychische Zustand von Alizada hatte sich verschlechtert, nachdem kurz vor seinem 18. Geburtstag sein Asylantrag abgelehnt und seine psychologische Betreuung eingestellt worden war.