Die Hizbollah, der Iran und die Bedrohung Israels

»Die Hizbollah ist Teil des iranischen Regimes«

Interview Von

Sie haben über die Allianz zwischen dem Iran, Syrien, der Hizbollah und der Hamas ein Buch geschrieben mit dem Titel »Eine wider­natürliche Koalition«. Was ist das Besondere an diesem Bündnis?
Die Allianz zwischen dem Iran und ­Syrien begann in den frühen achtziger Jahren vor dem Hintergrund des israelisch-libanesischen Kriegs. Dabei hatten die beiden Länder völlig unterschied­liche Regimes: Der Iran war theokratisch und islamistisch, das syrische Regime war nationalistisch und nannte sich sozialistisch. Die Koalition zwischen Syrien und der Hizbollah ist ähnlich widersprüchlich. Der eigentliche Verbündete Syriens im Libanon war nicht die Hizbollah, sondern die schiitisch-populistische Amal-Bewegung. Dennoch kooperiert das syrische Regime mit der Hizbollah, einer religiösen Bewegung, die Terrorismus und Guerilla­taktiken nutzte und langsam zur stärksten Kraft im Libanon wurde. Und in jüngster Zeit wurde diese Beziehung immer enger.

Während der schiitische Iran und die Hizbollah in Syrien gegen ­sunnitische Islamisten kämpfen, sind also die sunnitischen Isla­misten der Hamas mit ihnen verbündet.
Das ist das Besondere am iranischen Regime: Es hat auch strategische Beziehungen zu sunnitischen Bewegungen, während die sunnitischen Mächte wie die Türkei oder Saudi-Arabien nie ­vergleichbare Beziehungen zu Schiiten aufbauen konnten. Das gibt der iranischen Achse einen großen strategischen Vorteil.

Basiert diese Allianz nur auf gemeinsamen Feinden, wie Israel bei der Hamas oder Saudi-Arabien bei den Houthis, oder gibt es auch eine ­gemeinsame ideologische Basis?
Bei der Hamas ist es nur eine strategische und politische Allianz. Der Palästinensische Islamische Jihad (PIJ) dagegen hat viele Aspekte der Ideologie des iranischen Regimes übernommen. Für all die Zwischenfälle, die wir im ver­gangenen halben Jahr mit Gaza hatten, war der PIJ verantwortlich, der als Stellvertreter des Iran handelte, um die Region zu destabilisieren, vor allem vor den Wahlen in Israel.
Das iranische Bündnis mit den Houthi-Rebellen im Jemen hat als militärisch-strategische Allianz begonnen, inzwischen sind die Houthis immer mehr Teil der ideologischen Achse geworden, ähnlich wie die Hizbollah.
Diese ist mehr als nur ein iranischer Stellvertreter. Das gilt zumindest für die Führungsebene. Sie ist Teil des iranischen theokratischen Regimes und hört auf die Befehle des Ayatollah.

 

Wie ist die Hizbollah ideologisch mit dem iranischen Regime verbunden?
Nicht nur ideologisch, auch organi­satorisch. Der erste Titel Hassan Nasrallahs ist nicht Generalsekretär der ­Hizbollah, sondern »Oberster Repräsentant von Ayatollah Khomeini im Libanon«. Das stand auf der Website der Hizbollah bis 2005. Das hat man entfernt, weil die Hizbollah im Libanon als politische Partei auftreten wollte. Wenn man sich Reden Nasrallahs oder seines Stellvertreters anschaut, sagen sie sehr deutlich, dass die einzige Autorität, die sie akzeptierten, nicht der libanesische Präsident sei, sondern die spirituelle Autorität von Ayatollah Khomeini. Sie haben selbst gesagt, dass sie im Krieg 2006 vom Iran den Befehl erhalten hätten, israelische Zivilisten mit Raketen anzugreifen. Und bis heute ist das so. Man muss sich nur anschauen, wie der Iran die Hizbollah nutzt im Irak oder sogar im Jemen, wo sie die Houthi-Miliz ausbildet.

Kann die Hizbollah auch eigenständig Entscheidungen treffen?
Ich denke, die finalen Entscheidungen werden im Iran gefällt. Selbstverständlich muss die Hizbollah auch die Interessen der schiitischen Bevölkerung im Libanon beachten. Aber es gibt diesen Spruch: »Das iranische Regime wird bis zum letzten Mann der Hizbollah kämpfen.«
Auch in Syrien werden die meisten ausländischen Kämpfer nicht von der iranischen Revolutionsgarde, sondern von anderen schiitischen Milizen und von der Hizbollah gestellt. Diese hat dort schon über 2 000 Soldaten verloren, der Iran viel weniger. Er versucht, eigene Verluste zu vermeiden, er nutzt lieber Stellvertreter. Seit 15 Jahren ist das seine Strategie, im Jemen, im Irak und im Kampf gegen den Islamischen Staat.
Inzwischen versucht die Hizbollah, aus Syrien eine stabile Basis zu machen, wie sie im Libanon eine hat. In den vergangenen drei Jahren hat die israelische Regierung verstanden, dass das ein riesiges strategisches Problem ist. Und dabei hat Israel schon ein riesiges Problem, nämlich das Raketenarsenal der Hizbollah, das die gesamte Zivilbevölkerung Israels bedroht.

Wie geht Israel mit der Präsenz der Hizbollah in Syrien um?
In den vergangenen drei Jahren hat die israelische Politik sehr erfolgreich agiert, auch durch eine Kooperation mit Russland. Bislang konnte Israel verhindern, dass der Iran und die Hizbollah im Süden Syriens eine echte Basis etablieren. Aber die Ereignisse der vergangenen Wochen könnten das ­ändern, vor allem der türkische Einfall in Syrien. Weil die USA das kurdische Territorium verlassen, können die Kurden ihre Selbstverwaltung nicht länger behaupten und müssen mit dem syrischen Regime und Russland kooperieren. Damit ist die Landverbindung zwischen dem Libanon und dem Iran, die die Iraner im Norden Syriens schaffen wollten, plötzlich weit offen.

 

Wie abhängig ist die Hizbollah vom Iran, finanziell und militärisch?
Die Hizbollah ist von der Unterstützung Irans abhängig und bekommt wegen der Sanktionen immer weniger davon. Neuerdings gibt es ja auch US-amerikanische Sanktionen gegen die Hizbollah selbst, und gegen die iranischen Revolutionsgarden, die die besonderen Förderer der Hizbollah sind. Aber das alles hat immer noch nicht verhindern können, dass der Iran die Hizbollah weiter dabei unterstützt, ihre Raketen zu Präzisionswaffen aufzurüsten, und das ist das wichtigste Rüstungsprojekt der Hizbollah. Außerdem hat diese ihre eigenen Finanzquellen, in der schiitischen Community weltweit und aus dem Drogenhandel.
Ein großer Verlust für die Hizbollah waren die Tunnel, die sie an der israelischen Grenze gebaut hat. Sie hat hunderte Millionen Dollar in diese Tunnel investiert, und die israelische Armee hat sie gefunden und neutralisiert.
Aber im Endeffekt ist die oberste Priorität der Hizbollah militärisch. Wenn sie weniger Ressourcen hat, zahlt sie einfach weniger an die Waisen und Witwen der toten Soldaten, an die Verwundeten aus dem Syrien-Krieg oder die Sozialprojekte im Libanon und investiert weiter ins Militär.

Die US-Politik des »maximalen Drucks« gegen den Iran scheint wirtschaftlich effektiv zu sein. Aber der Iran zeigt auch, dass er Gegendruck ausüben kann, etwa durch Angriffe auf saudische Ölanlagen oder in der Meerenge von Hormus. Welche Aussicht auf Erfolg haben die Sanktionen politisch?
Der Iran hat militärisch geantwortet, weil er verstanden hat, dass Präsident Trumps Rhetorik nur aus leeren Worten bestand. Der Iran spielt auf Zeit, er wartet darauf, dass Trump aus dem Amt scheidet. Er hat auch beobachtet, was mit Nordkorea geschah, und sich entschieden, dasselbe Spiel zu spielen. ­Irgendwann wird der Iran über Nuklearwaffen verfügen und dann sind die USA machtlos. Derzeit ist Trump nicht bereit zu einer militärischen Option, und solange eine solche nicht glaubhaft ist, werden die Iraner weiter angreifen.

Aber kann es überhaupt eine militärische Lösung geben? Müssen nicht sowohl Saudi-Arabien als auch Israel versuchen, einen militärischen Konflikt um jeden Preis zu verhindern, weil beide so verwundbar sind?
Für beide Länder ist dabei vor allem die US-amerikanische Haltung entscheidend. Israel ist durchaus bereit, alle Risiken auf sich zu nehmen, um dem Iran nicht zu erlauben, sich in Syrien zu etablieren oder sein Nuklearprogramm weiterzuverfolgen. Und Saudi-Arabien? Mit all der Ausrüstung, den vielen Milliarden US-Dollar, die sie in Flugzeuge, Raketen und Raketenabwehr investiert haben, haben die Saudis es nicht geschafft, ernsthaft auf die iranische Herausforderung zu antworten. Was jetzt in Syrien geschehen ist, wird den Willen Saudi-Arabiens und der Emirate, gegen den Iran vorzugehen, noch weiter schwächen.