Besetzung der US-Botschaft in Teheran

Gefangen im Spionagenest

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Die erste Folge der Botschaftsbesetzung und Geiselnahme war die Selbstausschaltung der Nationalisten. Währenddessen wiegten sich die iranischen Linken noch in der Illusion, die Revolution sei in ihre Richtung gelenkt worden. Die verhasste »bürgerliche« Regierung war gefallen und der antiimperialistische Kampf ins Zentrum des politischen Geschehens gerückt. Aber das war bloß der Beginn des Untergangs der Linken. In die folgenden Wochen mit ihrer aufgeheizten Stimmung fiel die Abstimmung über die Verfassung der Islamischen Republik. Sie hatte nicht mehr viel mit dem ursprünglichen, an einer modernen parlamentarischen Demokratie orientierten Entwurf zu tun. Khomeini war ursprünglich offenbar bereit gewesen, diesem Entwurf im Großen und Ganzen zuzustimmen, bevor die Regierung in Verkennung der politischen Dynamik auf einer Abstimmung beharrte. Die seltsame Mischung dieser Verfassung aus der theologischen Neuschöpfung von Welayat-e Faqih (Herrschaft des Rechtsgelehrten) durch Khomeini und diversen republikanischen Versatzstücken spiegelt die Widerstände der bürgerlichen Nationalisten und Linken wider.

Bis heute steht der »Revolutionsführer« im Machtzentrum der Islamischen Republik, während die Regierung und das Parlament vergleichsweise schwach sind und sich gegenseitig lähmen. Diese Struktur war damals im Interesse der religiösen Hardliner und ist es immer noch. Dafür steht das so stete wie hoffnungslose Bemühen aller sogenannten Reformer bis hin zum gegenwärtigen Präsidenten Hassan Rohani. Die Widerstände gegen die institutionelle Festschreibung der absoluten Führungsposition Khomeinis – und damit auch seiner Nachfolger als »Revolutionsführer« – schwemmte der revolutionäre Furor beiseite, der im von der Botschaftsbesetzung angefachten Fanatismus gedieh. Noch vor Jahresende 1979 wurde mit Ayatollah Mohammed Kazem Shariatmadari der einzige ernstzunehmende klerikale Gegenspieler Khomeinis ausgeschaltet, der zu Protesten gegen die neue Verfassung aufgerufen hatte. Um ihn zu diskreditieren, dienten unter anderem Dokumente aus der US-Botschaft. Währenddessen begann das sich herausbildende neue Regime, immer schärfer gegen die zum Teil mit ihm verbünde­te iranische Linke vorzugehen.

Das Geiseldrama um die US-amerikanische Botschaft zog sich noch durch das ganze Jahr 1980. Als einziges iranisches Zugeständnis erreichte die US-Regierung noch im November 1979 durch Vermittlung Yassir Arafats die Freilassung von 13 weiblichen und afroamerikanischen Geiseln. Die Studierenden forderten die Auslieferung des Schahs für die Freilassung der Amerikaner. Der Schah wiederum verließ die USA und starb im Sommer in Ägypten. Das Pokern mit Staatsgeiseln ging in das feste Instrumentarium der Außenbeziehungen der Islamischen Republik ein. Auch heutzutage noch werden je nach politischer Lage Ausländer oder Iraner mit doppelter Staatsbürgerschaft meist unter Spionageverdacht auf Vorrat oft jahrelang inhaftiert, als Verhandlungsmasse und Druckmittel. Die Behandlung der US-amerikanischen Geiseln lieferte das Vorbild. Sie wurden mit Augenbinden der Presse vorgeführt, Demütigungsgesten, derer sich die Iraner noch bei der Besatzung zweier US-Patrouillenboote bedienten, die sie 2016 im Persischen Golf aufgebracht hatten.

Im Januar 1980 wurde Abolhassan Banisadr ins neu geschaffene Amt des iranischen Präsidenten gewählt, ein Intellektueller ohne eigene Machtbasis, der zwar zuerst als Protegé Khomeinis galt, aber von den extrem Religiösen ebenso wie sein Vorgänger Bazargan als Ministerpräsident ständig brüskiert wurde. Auch dazu diente das lange Drama um die US-amerikanischen Staatsgeiseln, das sich im April 1980 noch einmal verschärfte, als Carter einem schlecht geplanten Befreiungsversuch zustimmte. Dieser endete mit dem Unfalltod mehrerer US-Soldaten, deren in der iranischen Wüste abgestürzter Hubschrauber Propagandabilder lieferte.

Im September 1980 begann mit dem Angriff irakischer Streitkräfte der ­Erste Golfkrieg, der bis 1988 dauerte. Dieses achtjährige Gemetzel nutzten Khomeini sowie seine Anhängerinnen und Anhänger, um mit den Revolutionsgarden ihre Machtposition auch militärisch auszubauen und die Islamische Republik endgültig zu dem aggressiven Problemfall zu machen, der sie geblieben ist.

Im Januar 1981 hob schließlich das Flugzeug mit den letzten freigelassenen Botschaftsgeiseln in Teheran erst ab, nachdem Ronald Reagan seinen Amtseid als neuer Präsident der USA geleistet hatte. Es war Khomeinis letzte kalkulierte Demütigung Carters.