Russlands Klimapolitik

Wer braucht schon Permafrost

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Bereits im vergangenen Jahr zeichnete das russische Umweltministerium in einem Bericht fast schon ein apokalyptisches Zukunftsszenario: Extreme Dürreperioden und Überschwemmungen hätten irreversible Folgen für die Flora und Fauna. Die Bevölkerung werde vermehrt mit Epidemien konfrontiert, mit Ernteausfällen sei zu rechnen, Lagerstätten für radioaktive Abfälle könnten zerstört werden. Die gesamte Infrastruktur halte langfristig den extremen Wetterverhältnissen nicht stand. Eisenbahnschienen würden bei zu hohen Temperaturen deformiert, was zu Unfällen führe. Selbst mit der Schädigung und Notabschaltung von Kraftwerken müsse gerechnet werden. Die Autoren des Berichts sehen insbesondere den europäischen Teil Russlands gefährdet, aber auch Bergregionen und seismisch aktive Gebiete wie die Insel Sachalin.

Bei der Emission von Treibhausgasen nimmt Russland weltweit den vierten Platz ein. Neben der Atomkraft dienen Öl, Gas und Kohle zur Energiegewinnung und setzen bei der Verbrennung massenweise Schadstoffe frei. Sonnen- und Windenergie werden kaum genutzt, wenngleich selbst der staatliche Nuklearkonzern Rosatom ­inzwischen Pilotprojekte in Gang gebracht hat. Der Waldbestand ist wegen Bränden und Rodungen rückläufig, durch das Auftauen der Permafrostböden wird klimaschädliches Methan freigesetzt. Immerhin brachte die russische Regierung im September endlich die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens auf den Weg. Russland verspricht, die CO2-Emissionen bis 2030 um 25 bis 30 Prozent unter das Niveau von 1990 zu senken. Das ist ein recht lächerliches Ziel, denn die postsowjetische Deindustrialisierung sorgte dafür, dass die Emissionen 2017 bereits um 32 Prozent unter dem Niveau von 1990 lagen.

Ein Klimaschutzgesetz soll es dennoch geben. Schon seit zwei Jahren ist das Wirtschaftsministerium mit dessen Ausarbeitung beschäftigt und legte jüngst einen Entwurf vor. Aber mit ­einer schnellen Verabschiedung ist nicht zu rechnen. Industrielle Großbetriebe und Energiefirmen sollen dazu verpflichtet werden, schädliche Emissionen zu erfassen und Maßnahmen zu deren Eindämmung zu ergreifen. Bei der Überschreitung festgelegter Normen drohen Geldstrafen. Doch die Lobby der Großunternehmen übte an dem Vorhaben scharfe Kritik.

Da hilft nur noch Greta Thunberg, dachte sich wohl der Liberaldemokrat Wassilij Wlassow. Der mit 24 Jahren jüngste Duma-Abgeordnete ist stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Naturressourcen und lud die schwedische Klimaschützerin nach Moskau ein. Seine Kollegen halten von der Idee wenig. Zumindest in dieser Frage hat die Duma ausnahmsweise einen Großteil der Meinungsmacher von der außerparlamentarischen liberalen Opposition auf ihrer Seite.