Die experimentelle ­Musik von Sudan Archives

Archivarbeit auf vier Saiten

Die Musikerin Sudan Archives überrascht auf ihrem Debütalbum »Athena« mit ungewöhnlichen Klängen und weckt die Hoffnung auf weitere große Würfe.

Vor grauem Hintergrund steht die Figur einer unbekleideten Frau, gegossen aus Bronze, auf einem Stück Fels und schaut gerade nach vorn. Sie hält mit angewinkeltem Arm eine Violine in die Höhe. Was wie die Beschreibung eines Ausstellungsstücks aus einem Kunstmuseum klingt, ist tatsächlich das Cover des Albums »Athena« der US-amerikanischen Sängerin und Instrumentalistin Brittney Denise Parks alias Sudan Archives, das dieser Tage erscheint. Nach den EPs »Sudan Archives« (2017) und »Sink« (2018) ist »Athena« nun das Debütalbum der Künstlerin.

Genres werden hier wild durch­einandergemixt: Sudanesische Spielweisen werden verwoben mit R & B, zeitgenössichem HipHop, Soul und psychedelischen Beats.

Vieles ist auffällig an Sudan Archives, die wie die Band Automatic zu den wenigen weiblichen Acts auf ihrem Label Stones Throw zählt. Auffällig ist schon ihr Name, der für ihre Musik programmatisch ist. Nachdem sie ihrer Mutter mit 17 Jahren mitgeteilt hatte, ihr tatsächlicher Na­me Brittney gefiele ihr nicht mehr, taufte diese sie kurzerhand ini Sudan um. Als sie daraufhin der Geschichte des ihr namensgebenden Landes nachforschte, begeisterte sich die autodidaktische Geigerin für die tradi­tionelle sudanesische Spielweise des Streichinstruments. Als musikalische Vorbilder entdeckte sie Asim Gorashi, Musiker und Erforscher tradi­tioneller sudanesischer Musik, und den Frankokameruner Francis Bebey, der jahrzehntelang an einer Synthese aus traditioneller afrikanischer Musik und westlicher Popinstrumentierung gearbeitet hatte. Dieses musikalische Fundament prägt seit dem Erscheinen ihrer ersten EP die Veröffentlichungen von Sudan Archives. Ganz anders hörten sich hingegen noch ihre früheren Releases unter dem Pseudonym Sudan Moon an, fehlten dort doch gänzlich der Klang ihrer Geige und jeglicher Bezug zur sudanesischen Musik.

Mit einem Vertrag bei Stones ­Throw in der Tasche wurde dann auch ihr Sound zu dem, der er heute ist. Statt der früheren klanglichen Reizüberflutung arbeitete sie auf ihrer ersten EP »Sudan Archives« nun wesentlich minimalistischer, beschränkte sich oft auf einen sanft wummernden Bass, über den sie eine subtile Melodie oder ein zurückhaltendes Zupfen ihrer Geige legte. Auf ihrer nächsten EP »Sink« näherte sie sich allmählich wieder den disharmonischen Klängen aus Zeiten von Sudan Moon an, wobei die zuvor etablierte simple Grundstruktur ihrer Musik erhalten blieb. »Athena« ist nun die Fortsetzung dieser Entwicklung, auch wenn sich das Album als Ganzes eher durch einen harmonischen Klang auszeichnet. Neu ist, dass Sudan Archives nicht mehr ausschließlich selbst produziert. Produzenten wie Washed Out oder Rodaidh McDonald (The XX, King Krule) mischten ordentlich mit.