Die Zukunft der CDU

Rechtskonservativer Zwergenaufstand

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Dies bringt sowohl den konservativen als auch den liberalen Flügel der Christdemokratie in eine schwierige Situation, da deren Positionen auch von anderen Parteien besetzt werden. Als kon­servativ gilt der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs Winfried Kretschmann ebenfalls; für law and order fühlt sich auch dessen Parteifreund Boris Palmer zuständig, der Oberbürgermeister von Tübingen ist. Wer wie die Werte-Union eine neue konservative Offensive zur Sicherung der Stammwählerschaft fordert, ignoriert die Schwäche der eigenen Bataillone. Die CDU hat knapp 415 000 Mitglieder, der rechtskonservative Zirkel zählt eigenen Angaben zufolge etwa 3 000. 

Zwar tritt die Werte-Union forscher auf als der stets von der Parteiführung gezähmte »Berliner Kreis«, der vom derzeitigen AfD-Bundesvorsitzenden Alexander Gauland mitbegründet wurde. Die Vorsitzenden der Werte-Union sind den Wählerinnen und Wählern aber trotz vielfacher Medienberichte über den Verein kaum bekannt. Anders als die parteiinternen Gegner des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Kohl, etwa der damalige CDU-Generalsekretär Heiner Geißler und der ehemalige baden-württembergische Ministerprä­sident Lothar Späth, kommen Merkels Widersacher meist aus der zweiten Reihe der Partei. An der Führungsspitze ist die Kanzlerin anscheinend noch immer alternativlos.

Wenn der Machtkampf keinen neuen Schwung aufnimmt und in Leipzig kein Antrag auf Neuwahl des Parteivorstands gestellt wird, dürften auf die Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer erst einmal beschauliche Zeiten zukommen. Im kommenden Jahr wird auf Landesebene nur im Februar in Hamburg gewählt, die Kommunalwahlen in Bayern und Nordrhein-Westfalen dürften nicht in einem solchen Fiasko wie in Thüringen enden.
Offen bleibt die Frage, wie die Union in der polarisierten Republik weiter eine Volkspartei sein will. Eine rein konservative Partei war sie ohnehin nie; die Losung »Keine Experimente« des langjährigen Bundeskanzlers Konrad Adenauer wurde unter christdemokratischer Ägide nicht nur durch das »Turbo-Abitur«, den wohl größten schulpolitischen Fehlversuch der vergangenen Jahrzehnte, dementiert.

Als Sammlungsbewegung muss die Union unterschiedliche Interessengruppen und Wählermilieus bedienen. Greift sie vermeintlich urbane Themen wie den Klimaschutz oder das Elektroauto auf, brüskiert sie die Arbeitnehmer in der Autoindustrie und die Pendler auf den Dörfern. Wendet sie sich zum gesellschaftspolitisch konservativen Wirtschaftsliberalen Friedrich Merz, verliert sie weiter in den großstädtischen Milieus und brüskiert die Sozialpolitker in den eigenen Reihen ebenso wie den potentiellen grünen Koalitionspartner. Vor diesem Hintergrund wirkt der jetzige Machtkampf fast schon wie ein Scheingefecht, das vom strategischen Dilemma der Union ablenkt.