Amtsenthebungsermittlungen gegen Trump

Auf den Spuren Nixons

Die Amtsenthebungsermittlung gegen den US-Präsidenten Donald Trump schreitet voran. Bislang halten die meisten Republikaner allerdings zu ihm.

»Jeder Baum im Wald wird fallen«, sagte der renommierte Journalist David Ignatius in einer US-amerikanischen Talkshow am 14. Oktober. Es ist ein Zitat aus der Zeit der Watergate-Affäre und bezieht sich auf den unrühmlichen Sturz des damaligen Präsidenten Richard Nixon. »Es wird nur eine verbrannte Wüste übrigbleiben«, hieß es damals in einer Warnung der CIA an Nixon. In der Demokratischen Partei gibt es nicht wenige, die für den derzeitigen US-Präsidenten Donald Trump ein ähnliches Ende herbeisehnen; die Watergate-Vergleiche sind in den Medien beliebt.

Trump behauptet beharrlich, dass er nie auf einer Gegenleistung für die Militärhilfe für die Ukraine bestanden habe. Da das nicht stimmt, bringt er die Republikaner in Schwierigkeiten.

Als am 24. September die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, eine offizielle Amtsenthebungsermittlung ankündigte, rieben sich viele die Hände. Mittlerweile geht die Ermittlung in die heiße Phase, denn künftig werden die Zeugen vor laufenden Kameras aussagen. Doch bislang prallte alle Kritik an Trump und seinen Anhängern ab. Dass der US-Senat mit seiner republikanischen Mehrheit den Präsidenten absetzen könnte, scheint vielen noch unwahrscheinlich.

Dabei sind die Gründe, die zur Ermittlung geführt haben, ernst zu nehmen. Im Spätsommer wurde der Bericht eines anonymen Whistleblowers öffentlich, der dem Präsidenten Amtsmissbrauch vorwarf. Trump habe den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zwingen wollen, in einer öffentlichen Pressekonferenz Trumps potentiellen Gegenkandidaten Joe Biden wegen vermeintlicher Korruption anzuprangern (Jungle World 40/2019). Die Republikaner waren anfangs von den Vorwürfen alarmiert, schlugen sich jedoch nach und nach auf die Seite Trumps und seiner Claqueure in rechten Medien wie Fox News, wo die Affäre weiterhin schöngeredet wird. Der Präsident selbst gibt sich unschuldig. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im US-Bundesstaat Kentucky standen zahlreiche Bewunderer hinter Trump, die weiße T-Shirts mit der Aufschrift »read the transcript« trugen – »lest die Mitschrift«.

Gemeint ist das Protokoll eines Telefonats, das Trump am 25. Juli mit Selenskyj führte und nach Angaben des Präsidenten »perfekt« und »großartig« gewesen sei. Dabei steht in der Abschrift schwarz auf weiß, dass Trump die vom Kongress bewilligten Abwehrraketen, die die Ukraine zur Verteidigung gegen anhaltende russische Militäroperationen dringend braucht, von »einem Gefallen« abhängig machen wollte: der öffentlichen Diskreditierung Bidens. Trump rückte erst von seiner ursprünglichen Position ab, als der demokratische Kongressabgeordnete Adam Schiff den Bericht des Whistleblowers rechtlich einforderte und den Skandal öffentlich machte. Schiff, der Vorsitzende des Kongressausschusses für Nachrichtendienste, ist die treibende Kraft hinter der Amtsenthebungsermittlung. Diese schreitet seit über vier Wochen mit atemberaubender Geschwindigkeit voran.

 

Die bisherigen Aussagen zeichnen ein verstörendes Bild. Fiona Hill vom ­Nationalen Sicherheitsrat sagte aus, sie sei zum Opfer »wirrer Verschwörungstheorien« geworden, als sie sich gegen Trumps Einflussnahme auf Selenskyj ausgesprochen habe. Sie erwähnte »hasserfüllte Anrufe«, und man habe sie im Weißen Haus für eine »Spionin« des jüdischen Investors George Soros gehalten. Oberstleutnant Alexander Vindman, der ebenfalls dem Nationalen Sicherheitsrat angehört und bei dem Telefonat am 25. Juli mithörte, sagte aus, dass es an den Forderungen Trumps »keine Zweifel« gegeben habe und die Ukraine Gefahr gelaufen sei, die Unterstützung der US-Regierung zu verlieren, sollte sie nicht eine Kampagne gegen Biden einleiten. Die frühere US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, wurde von Trump und seinem inneren Zirkel – bestehend unter anderem aus seinem Anwalt Ru­dolph Giuliani und dem EU-Beauftragten Gordon Sondland – ebenfalls als nicht loyal genug eingestuft und überraschend von ihrem Posten abgezogen. Sie wurde durch den Diplomaten William Taylor ersetzt, doch auch er meldete Bedenken gegen die »Schattenpolitik« von Giuliani und Sondland an. Er gab an, er sei erstaunt gewesen, als hochrangige Beamte des Haushaltsamts angekündigt hätten, die fast 400 Millionen US-Dollar Militärhilfe für die Uk­raine so lange einzufrieren, bis Selenskyi die erwünschte Ermittlung gegen Biden ankündigen würde: »Präsident Trump bestand darauf, dass Präsident Selenskyj dies öffentlich tun musste. Und wenn nicht, dann wären wir in einer Pattsituation.« Trumps Handlan­ger in dieser Angelegenheit, Sondland, hat erst vor kurzem seine ursprüngliche Aussage widerrufen, um nicht in rechtliche Schwierigkeiten zu kommen. Nun bestätigt er, dass die Ukrainer zunächst »bezahlen« sollten, bevor Trump »den Scheck unterzeichnet«.

Wochenlang hatten die Republikaner auf mehr Transparenz gepocht, nun geht ihr Wunsch in Erfüllung. Glücklich wird sie das sicher nicht machen. Zuvor beschränkte sich die Strategie des Weißen Hauses auf drei wesentliche Aspekte: erstens die absurde Behauptung, es habe nie ein quid pro quo ge­geben und die Abschrift des Anrufes bestätige dies; zweitens ständige Beschwerden über den formellen Ablauf des Verfahrens – Kevin McCarthy, der Sprecher der republikanischen Fraktion im Repräsentantenhaus, sprach von ­einer Ermittlung im »Stil der Sowjets« – und drittens unermüdliche Versuche, die bisherigen Zeugen zu diskreditieren. So wurde beispielsweise die Aussage von Oberstleutnant Vindman angezweifelt, weil er in der Ukraine geboren wurde und erst im Alter von drei Jahren in die USA kam. Er sei kein richtiger US-Amerikaner und vermutlich ein Spion, hieß es auf Fox News. Trump ­behauptet beharrlich, er habe keinen Druck auf die Ukraine ausgeübt und nie auf einer Gegenleistung für die Militärhilfe bestanden. Da das offensichtlich nicht stimmt, bringt er die republikanischen Kongressabgeordneten in Schwierigkeiten. Manche von ihnen würden viel lieber argumentieren, dass ein quid pro quo doch gar nicht gegen das Gesetz verstoße oder zu­mindest kein Grund sei, den Präsidenten des Amts zu entheben.

 

Die Demokraten hoffen auf ein schnelles Verfahren und klare Ergebnisse. Es ist abzusehen, dass die Live-Übertragungen der Anhörungen den fernsehbesessenen Präsidenten völlig vereinnahmen werden. Er lebt für das Fernsehen, und es dürfte ihn verärgern, dass er nicht selbst das Programm ­bestimmt. Gut möglich, dass zumindest einige der Zuschauer ihre Meinung ändern werden. Allein das wäre ein Sieg für die Demokraten. 

Bald schon könnte sich Trump mit mehreren Anklagepunkten konfrontiert sehen, unter anderem Amtsmissbrauch und Behinderung der Justiz. Laut Medienberichten wollen die Demokraten noch vor Ende des Jahres zur Abstimmung schreiten. Sollte das Repräsentantenhaus die Amtsenthebung beschließen, muss der Fall dem Senat vorgelegt werden, wo es unter der Schirmherrschaft des Obersten Bundesrichters John ­Roberts zu einem Prozess kommen würde. Um Trump tatsächlich abzusetzen, müssten nicht nur alle 47 Demokraten für die Amtsenthebung stimmen, sondern auch noch mindestens 20 Republikaner. Nixon entschloss sich 1974 zum Rücktritt, nachdem er den Rückhalt der republikanischen Senatoren verloren hatte. Doch noch halten die Republikaner geschlossen zu ihrem Prä­sidenten. Die ­republikanischen Stammwähler werden von Fox News angeheizt, ein Instrument, das Nixon seinerzeit nicht hatte. Und solange es der US-Wirtschaft gut geht, ist nicht mit ernsthaftem Widerstand aus den eigenen Reihen zu rechnen. Doch laut Pelosi ist es eine Frage des Prinzips. Ihr gehe es angeblich nur darum, die Republik zu beschützen. Vielleicht geht es aber auch um den Wahlkampf. Der Versuch der Amtsenthebung ist ein klares Signal an die demokratischen Wählerinnen und Wähler: Man zieht den Präsidenten zur Rechenschaft.

So ist die Republikanische Partei in einem Dilemma. Da ist auf der einen Seite die erregte Basis, die bedingungslose Loyalität zu Trump fordert, auf der anderen die Beweislage. Wenn der politische Konflikt sich weiter zuspitzt, könnte die Abstimmung im Senat für manche moderaten republikanischen Senatoren zum Problem werden. Für die demokratischen Präsidentschaftskandidaten, vor allem für Elizabeth Warren, bietet der Skandal die Möglichkeit, sich als unbestech­liche Outsider zu profilieren. In manchen Umfragen, vor allem in den wichtigen Vorwahlstaaten wie Iowa, liegt Warren bereits vor Biden. Gut möglich, dass die Gerüchte über Korruption und Bidens ausweichende Replik erste Folgen haben. Doch während die Demokraten noch weit davon entfernt sind, sich auf eine Kandidatin oder einen Kandidaten zu einigen, festigt Trump seine Unterstützung, nicht zuletzt, weil das Amtsenthebungsverfahren die Basis zwingt, sich auf eine Seite zu schlagen. So konnte Trumps Wahlkampfteam im dritten Quartal dieses Jahres 125 Millionen US-Dollar an Spendengeldern sammeln, auch dank der drohenden Amtsenthebung. Noch ist also fraglich, ob jeder Baum im Wald fallen wird.