Leben in Berlin

»Die Luft ist raus«

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Reportage Von

Nach Berlin zieht es Menschen aus ganz Europa, weil die Lebenshaltungskosten im Vergleich zu anderen europäischen Großstädten noch günstig sind, was nicht nur für die Mieten gilt. Diese sind in den vergangenen Jahren zwar deutlich angestiegen, sie liegen aber noch unter denen in Paris, London, Madrid und Rom.

Maxime, ein 25jähriger Franzose, verirrte sich nach seiner Ankunft in Köln vor sieben Jahren »irgendwie« nach Berlin. Seitdem hat er Kunstgeschichte und Musik studiert, das Nachtleben genossen und viele Menschen kennengelernt. Doch trotz vieler Versuche, sagt er, habe er nur »drei richti­ge Berliner« in seinem Freundeskreis und mit keinem von denen sei die Freunschaft besonders eng. 

In der Tram in Berlin-Mitte.

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Oliver Feldhaus

Udo hingegen ist in Berlin geboren und lebt im Stadtbezirk Wedding. Er hat den Bau der Mauer und deren Fall erlebt. Er klagt in seinem Berliner Dialekt: »Ich erkenne mein Berlin nicht mehr.« Da, wo er lebt, gebe es inzwischen ebenso wenige »echte Berliner« wie im szenigen Kreuzberg. Der 71jährige hätte gerne »den antifaschistischen Schutzwall« wieder, am besten gleich »drei Meter höher« als zuvor. Erst seien »die Türken«, dann »die Araber« gekommen, klagt er. Inzwischen fühle er sich von reichen Investoren belagert. Die nähmen Leuten wie ihm die Wohnungen weg. Man könne sich nicht einmal mehr irgendwo richtig beschweren, beschwert er sich. In seiner Zeit als Arbeitnehmer »mit Berlinzu­lage und allem, was noch dazugehörte«, habe er dagegen gut leben können.

Stadt ohne Puls?

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Oliver Feldhaus

Viele Musiker, Künstler und sogenannte Kreative kommen in die Stadt; das galt auch vor dem Mauerfall schon für Westberlin. Der 29jährige Kian aus Irland arbeitet seit mehr als einem Jahr in Berlin als Straßenmusiker. »Anfangs hatte ich kein gutes, auch kein sonderlich schlechtes Gefühl zu dieser Stadt«, sagt er. Ihm seien viele Dinge aufgefallen, die für ihn als Musiker anders gewesen seien auf den Straßen in Brüssel, Prag, Wien, Bukarest, Oslo oder Athen. Eine Sache, die er kaum verstehe, sei die einzigartige Unfreundlichkeit der Berlinerinnen und Berliner. Warum der damalige US-Präsident John F. Kennedy einmal stolz gesagt hat, er sei ein Berliner, könne er kaum nachvollziehen. Schließlich habe Kennedy doch ein ziemlich sonniges Gemüt besessen.