Künstliche Intelligenz erkennt die wahre Liebe

Das digitale Gänseblümchen

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Solche Konzepte sind nicht neu. Besonders bekannt ist die bereits seit 15 Jahren bestehende Dating-App »Okcupid«. ­Während herkömmliche Single­börsen einfach nur ein Foto und einen Steckbrief veröffent­lichen, anhand derer Flirtwillige sich Nachrichten schicken können, fügte Okcupid eine algorithmische Auswertung hinzu: Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer können in endlosen Fragebögen angeben, wie wichtig ihnen etwa Treue, Religion oder rationales Denken ist und ob es erlaubt sein sollte, die Nationalfahne zu verbrennen. 

Das Ganze funktioniert erstaunlich gut. Zwar ist alles andere als garantiert, auf diesem Wege die große Liebe zu entdecken, aber der Algorithmus senkt die Gefahr, wieder und wieder einen Abend mit einer Person verbringen zu müssen, die so gar nicht zu einem passt, und sich dabei zu fragen, wie man dieses Date denn auf möglichst elegante Weise schnell beenden könne. Manche benutzen Okcupid auch, um neue Freunde zu finden, etwa wenn sie in eine andere Stadt ziehen.

An Okcupid nehmen die Leute allerdings freiwillig teil, während Tools wie Mei oder Keigo die psychologische Auswertung ohne Wissen der Zielperson durchführen. Manche dürften ein solches Interesse als Kompliment begreifen, während andere es als Übergriff empfinden, der sogar als eine Form des Stalkings angesehen werden könnte. Schließlich wird die Zielperson nicht gefragt, ob sie einer solchen Auswertung zustimmt.

Dabei geht es gar nicht einmal so sehr um Datenschutz und die Frage, ob hochgeladene Chat-Verläufe anderweitig missbraucht oder Twitter-Daten ohnehin schon öffentlich sind. Im Gespräch mit dem Magazin Wired verglich Es Lee, der Entwickler von Mei, die Analyse von Chat-Verläufen gar mit dem bei analogen Flirts üblichen Versuch, die Körpersprache des Gegenübers zu deuten. Und ist es nicht normal, Vertraute zu fragen, was sie oder er von den Nachrichten oder dem Verhalten einer bestimmten Person hält?