An der Nordgrenze Mexikos tobt der Machtkampf der Drogenkartelle

Mormonen und Mafia

Das Massaker an einer Mormonenfamilie in der Sierra de Chihuahua wirft ein Schlaglicht darauf, wie die Drogenkartelle an der Nordgrenze Mexikos vorgehen. Für Konflikte mit der Bauernbewegung wiederum sorgt die von altertümlichen Religionsgemeinschaften betriebene extensive Landwirtschaft.

Drei ermordete Frauen, sechs ermordete Kinder und Babys – das ist die Bilanz des Massakers an Angehörigen der Familie LeBaron, das am 4. November im nordmexikanischen an der Grenze der nordmexikanischen Bundesstaaten Sonora und Chihuahua verübt wurde. Berichte über das Verbrechen an den Mormoninnen und Mormonen gingen um die Welt, zumal die Ermordeten auch die US-amerikanische Staats­bürgerschaft besaßen. Die mexikanische Regierung sprach von einer tödlichen Verwechslung des Wagenkonvois in einem Gebiet, um das das Sinaloa- und das Juárez-Kartell kämpfen. Familienangehörige sprachen hingegen von einer gezielten Hinrichtung durch das Juárez-Kartell. Denn die Gemeinde der Mormonen, die nahezu autark im Norden der Sierra de Chihuahua lebt, hatte sich bereits 2009 mit den Kartellen angelegt.

Einen Tag vor dem Massaker an den LeBarons war es in Agua Prieta zu Auseinandersetzungen zwischen Banden gekommen, die dem Sinaloa- und dem Juárez-Kartell angegliedert sind.

Damals weigerte sich die Gemeinschaft, ein horrendes Lösegeld für ­einen entführten Jugendlichen zu bezahlen – mit Erfolg; er wurde freigelassen. Sein Bruder Benjamin LeBaron schuf daraufhin eine Selbstverteidigungseinheit, Jahre bevor der Zivilschutz gegen die Narcos, die Drogenmafia, im Bundesstaat Michoacán praktiziert wurde. Doch als Benjamin LeBaron Kartellangehörige stellte, wurden er und sein Schwager gefoltert, verschleppt und ermordet. Ein dritter Bruder, Julian LeBaron, schloss sich daraufhin der erstarkenden Friedensbewegung gegen den sogenannten Drogenkrieg an und zog an der Seite des Schriftstellers ­Javier Sicilia im Protest durchs Land (Jungle World 13/2012).

Im November gabe es an der mexikanischen Nordgrenze auch an anderer Stelle Blutvergießen. Einen Tag vor dem Massaker an den LeBarons war es in der Grenzsstadt Agua Prieta in Sonora zu Auseinandersetzungen zwischen Banden gekommen, die dem Sinaloa- und dem Juárez-Kartell angegliedert sind. Daraufhin brach ein Kommando des Juárez-Kartells in Richtung Sierra de Chihuahua auf, um einen möglichen Einfall des verfeindeten Kartells aus dem benachbarten Bundesstaat Chihuahua zu vereiteln.