Sport und Staatenlenker – Teil 1 einer Serie über eine seltsame Kombination

Sportliche Kaiserinnen und Präsidenten

Ob im alten Ägypten oder im Kaiserreich Österreich-Ungarn, in Nordkorea oder im antiken China, immer schon gab es Regentinnen und Regenten, die mit ungewöhnlichen sportlichen Leistungen auffielen oder denen diese von der Propaganda zugeschrieben wurden. Teil 1 einer Serie über Sport und Staatenlenker.

Amenhotep II. – der Spitzen­sportler unter den Pharaonen 

Seit der ägyptische Archäologe Selim Hassan 1936 die Stele von Amenhotep II. ausgrub, wissen wir eine ganze Menge mehr über den Sport im alten Ägypten. Zwar war schon zuvor bekannt, dass die Ägypter der Antike Sport als Freizeitbeschäftigung kannten und dafür sympathischerweise den Begriff »shmh-jb« hatten, was in etwa »Spaß haben« oder »sich vergnügen« bedeutet, aber die geradezu hymnischen Lobpreisungen der sportlichen Leistungen von Pharao Amenhotep II. zeigen, dass athletisches Können auch Prestige und Ruhm bedeutete und angehende Herrscher eine Art Prüfung ihrer körperlichen Fitness ab­legen mussten. 

Amenhotep II., der je nach Lehrmeinung zwischen 1427 und 1401 beziehungsweise 1428 und 1397 v. Chr. regierte, soll demnach schon als Knabe ein ausgezeichneter Reiter und Pferdekenner gewesen sein, der bei Wettritten und Wettfahrten mit dem Streitwagen geglänzt und dem jedes Pferd aufs Wort gehorcht haben soll. Unmittelbar vor seiner Krönung zum Mitregenten neben seinem Vater sei er »ein vollkommener Jüngling mit einem austrainierten Körper« gewesen, schwärmt die Stele, ganz als habe sie ein Fanboy entworfen. Ziemlich super war er wohl auch als Läufer, denn: »Niemand konnte ihn im Laufe einholen.« Die zugehörige Abbildung, die einen rennenden Amenhotep II. zeigt, gilt als die erste bildliche Darstellung ­eines Menschen, der aus sportlichem Ehrgeiz läuft und nicht etwa, weil ein Löwe hinter ihm her ist oder er ein Tier jagt. Auch beim Rudern war der Jungpharao top; der Stele zufolge konnte er auch dann noch weiter­rudern, wenn alle anderen seiner Schiffskameraden schon schlappgemacht hatten. Das beeindruckte die Schwächlinge, denn: »Voller Bewunderung sahen sie ihn an, wenn er dies tat.« Vielleicht am tollsten waren aber Amenhoteps Leistungen als Bogenschütze. Die Stele beschreibt, wie der Pharaoh von seinem fahrenden Streitwagen aus auf vier Zielscheiben schießt und diese nicht nur trifft, sondern im zweiten Vorbeifahren die im Schwarzen ­gelandeten Pfeile mit den nächsten Schüssen glatt spaltet. Eat Amenhoteps shorts, Robin Hood! 

Sisi – Pionierin des Extremsports 

Elisabeth Amalie Eugenie, Kaiserin von Österreich, Königin von Ungarn und Herzogin von Bayern, genannt Sisi, liebte Sport. Seit frühester Kindheit hatte sie einen schier unzähmbaren Bewegungsdrang und das Glück, in Herzog Maximilian einen Vater zu haben, der anders als viele seiner Zeitgenossen die sportliche Betätigung von Mädchen und Frauen nicht für unschicklich hielt. Maximilian war eher der damals modisch gewordenen Ansicht, ein fitter Körper könne nicht schaden, und ­erlaubte seinen Kindern Sport nicht nur, sondern ermutigte sie nach Kräften dazu. So lernte die spätere Kaiserin schon als Kind das Reiten, das Klettern und das, was man heutzutage als Extremwandern bezeichnen würde, also sehr lange und sehr schnell zurückgelegte Spaziergänge. 

Genau genommen betrieb Sisi jede Sportart extrem. Beim Reiten begnügte sie sich nicht mit kurzen Ausritten, sondern verbrachte ganze Tage im Sattel. Je wilder ein Ausritt, umso besser für Sisi. Noch als sie bereits Kaiser Franz Josef geehelicht hatte, nahm sie begeistert an wüsten Hetzjagden in England und Irland teil und galt dort als besonders verwegen, ja geradezu todesmutig. Nachdem ihr der Hofarzt, womöglich auf leichten Druck Franz Josefs, das Reiten aus gesundheitlichen Gründen verboten hatte, sattelte sie vom Pferd auf Schusters Rappen um und absolvierte tägliche Märsche, die bis zu 40 Kilometer lang waren und zehn Stunden dauern konnten. Ihre Hofdamen, die sie dabei begleiten mussten, hassten sie dafür. In jedem ihrer hoheitlichen Wohnsitze ließ Sisi Turnsäle einbauen, um auch bei widrigen Wetterbedingungen ihren Körper stählen zu können. Dass sie wahrscheinlich an Ano­rexie litt, wurde erst viele Jahrzehnte nach ihrem Tod bekannt, als Ess­störungen erstmals öffentlich thematisiert wurden. 

Han Wudi – der Fußballnarr auf dem chinesischen Kaiserthron 

Vielleicht schon um das Jahr 2500 v. Chr., als man in Mitteleuropa noch nicht wusste, was ein Ball ist, und irgendwelche schriftlosen Barbarenstämme allenfalls Wettbewerbe im Weitspucken ausfochten, spielten chinesische Mannschaften bereits erste Fußballturniere. Bei dieser Frühform der Sportart, handelte es sich um das Spiel »Cuju«. Die Teams versuchten, ohne Zuhilfenahme ­ihrer Hände einen Lederball in ein kleines Netz zu kicken, das die ­gegnerische Mannschaft verteidigte. Das Spiel entstand in der Provinz Shandong ursprünglich als Körperertüchtigungsmethode für Soldaten und eroberte von dort aus bald ganz China und später sogar Korea und Japan. Der Legende nach soll ­bereits Kaiser Huang Di, der mythische Begründer der chinesischen Kultur, zum Zeitvertreib Cuju geguckt haben. Zur Zeit der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 9 n. Chr.; 25 bis 220 n. Chr.) wurde die frühe Variante des Fußballs ungeheuer ­beliebt und in ganz China entstanden tausende Cuju-Plätze. Der Kaiser Han Wudi war nicht nur ein großer Eroberer und Reformer, sondern so sehr in Cuju vernarrt, dass er es sogar selbst spielte. Das ließ manche Höflinge die Nase rümpfen, denn körperliche Betätigung, zu­mal in einer Gruppe mit Nichtkaisern, galt als nicht standesgemäßes Verhalten für den fast gottgleichen Regenten Chinas. Das scherte Wudi aber wenig. Er förderte und spielte Fußball, und unter seiner Regentschaft wurde die Größe des Spielfelds standardisiert. 

Nach Wudis Zeit verlor Cuju nie an Popularität und einige Jahrhunderte später kam ein unbekanntes Genie während der Tang-Dynastie auf die Idee, in den Ball eine mit Luft vollgepumpte Tierblase zu stecken, so dass dieser auch hüpfen konnte. Unter den Kaisern der Song-Dynastie wurde Cuju so beliebt, dass sich Profiteams bildeten und erstmals Menschen vom Fußballspielen leben konnten. Ab dem 10. Jahrhundert fanden jährliche Cuju-Meisterschaften statt. 

Kim Jong-il – der größte und beliebteste aller großen und beliebten Sportler 

Der größte Sportler aller Zeiten, der zugleich ein Land regierte, war Kim Jong-il, der verstorbene Vater des derzeitigen nordkoreanischen Diktators Kim Jong-un – zumindest wenn man dem nordkoreanischen Informationsministerium glaubt. 1994 verkündete die nordkoreanische Nachrichtenagentur stolz, der »geliebte Führer«, wie ihn sein Volk überschwänglich nennen musste, habe beim ersten Versuch, Golf zu spielen, einen 18-Loch-Kurs mit elf Assen (Hole-in-one) abgeschlossen. Ein wahrhaft weltmeisterlicher, eigentlich nicht mehr menschlicher Wert, denn kein Profi, geschweige denn ein Amateur hat jemals auch nur ansatzweise Vergleichbares geschafft. Statistisch ist es wahrscheinlicher, im Lotto zu ­gewinnen, während einen gleichzeitig bei der Verleihung des Nobelpreises der Blitz trifft. Doch Kim gelang alles. Als er eines Tages ganz zufällig bowlen ging, schaffte er auf Anhieb 300 Punkte, also das per­fekte Spiel.