­Bücherverbrennungen der Nazis

»An vielen Orten gibt es keine Gedenkstätten«

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Interview Von

Haben Sie auch von Orten erfahren, wo es Widerstand gegen die Bücherverbrennungen gab?
Das kann ich nicht sagen. Es gab sehr unterschiedliche Verbrennungen, man kann sie in drei Phasen einteilen. In der ersten Phase, vor dem 10. Mai 1933, waren es hauptsächlich »wilde« Verbrennungen, die im Rahmen von Plünderungen von Parteihäusern, Gewerkschaftshäusern oder von sozialis­tischen, kommunistischen oder jüdischen Buchhandlungen stattfanden. Dagegen gab es sicherlich auch Widerstand. Dann folgten ab dem 10. Mai 1933 die großen studentischen Aktionen mit inszenierten Verbrennungen. In der dritten Phase gab es viele Verbrennungen von sehr unterschiedlichen Akteuren, die auch größer inszeniert waren.

Gab es Fälle, in denen Grundstückseigentümer nicht wollten, dass Sie auf deren Gelände fotografieren?
Das habe ich bislang nicht erlebt. Die meisten Verbrennungen fanden im öffentlichen Raum statt. Auch die studentischen Verbrennungen waren auf Marktplätzen oder auf Universitäts­gelände, das ist heute alles öffentlicher Raum. Einige Orte haben sich so ver­ändert, dass es mittlerweile private Grundstücke sind. Zum Beispiel in Bautzen, da war ein Steinbruch, an dessen Stelle sich heutzutage eine Prüfstelle der Dekra befindet. Aber auch da konnte ich problemlos fotografieren.

Wie lange arbeiten Sie schon an dem Projekt?
Ich arbeite seit 2013 daran. Nach einer längeren Pause habe ich dann – aus­gelöst durch die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen – 2017 gedacht, dass ich das Projekt in irgendeiner Form zu Ende bringen will. Dabei wollte ich dem erinnerungspolitischen Aspekt größeres Gewicht geben. Ich wollte zeigen, dass die Bücherverbrennungen zwar am Anfang der nationalsozialistischen Herrschaft passiert sind, aber deutlich machten, wohin das Ganze geht. Der Plan ist, 2023 eine große Wanderausstellung zu machen, zum Teil auch an den Plätzen selbst. Aber weil immer wieder neue Orte dazukommen, ist das etwas, das uns weiter begleiten wird. Mittlerweile ist es ein ausgewachsenes Gedenkprojekt in Trägerschaft eines gemeinnützigen Vereins. Wir arbeiten alle ehrenamtlich. Wenn uns Menschen Informationen bereitstellen, ist das auch ein wichtiger Teil der ehrenamtlichen Arbeit.

Wo sehen Sie einen aktuellen Bezug zum Thema Bücherverbrennung?
Mit den Bücherverbrennungen machten die Nationalsozialisten ganz früh deutlich, wie sie mit der Meinung derjenigen umgehen, die nicht in ihr Weltbild passen. Derzeit zieht eine rechtsextreme Partei wieder reihenweise in die Parlamente ein. Man kann nur hoffen, dass sich die Geschichte nicht wiederholt. Daher finde ich eine aktive Erinnerung wichtig. Das reicht selbstverständlich nicht, es braucht auch Bildungsarbeit und antifaschistisches Engagement. So versteht sich auch unser Projekt.

Was planen Sie langfristig?
Als Nächstes steht eine Leihausstellung an, damit die Arbeit einem breiteren Publikum präsentiert werden kann. Dann steht die Erstellung von Bildungsmaterial für Schüler ganz hoch auf unserer Prioritätenliste. Das werden wir wahrscheinlich nächstes Jahr an­gehen. Je nach Finanzierung kommt danach die Wanderausstellung. Dazu wird es wahrscheinlich einen Begleitband geben. Auch danach soll das Projekt weiter bestehen bleiben. Der Online-Atlas soll weiter im Netz erreichbar sein und gepflegt werden. Das Bildungsmaterial soll ebenfalls immer wieder aktualisiert werden. Damit soll langfristig und kontinuierlich eine Plattform zur Verfügung stehen.