Es gibt keinen antifaschistischen Grundkonsens, dabei wäre es dafür höchste Zeit

Zur rechten Zeit

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»Die Antifa« ist das alte neue Feindbild. Ihr wird in diesen Kreisen jeder zugerechnet, der sich für Demokratie, Diversität und Liberalismus einsetzt. In Ost und West geht die AfD, teilweise flankiert von dem rechtsextremen Verein »Ein Prozent für unser Land«, gegen zivilgesellschaftliche Projekte, ­soziale Einrichtungen und staatlich geförderte Kunst vor. Mit Erfolg: Hier und da wackelt die Finanzierung, mancherorts auch die Solidarität. Die anhaltenden Angriffe richten sich mittlerweile nicht mehr nur gegen Vereine wie Miteinander e.. V., Bands wie Feine Sahne Fischfilet und die wissenschaftliche Forschung, etwa zu Gender, sondern auch gegen Initiativen für Klimaschutz.  

Die Angriffe kommen nicht bloß aus dem AfD-Milieu. Im schleswig-holsteinischen Pinneberg legte die parteilose Bürgermeisterin Urte Steinberg dem »Antifa-Café« in einem städtischen Jugendzentrum eine Namensänderung nahe, weil der Name »negativ behaftet« sein könnte. Einem Bericht der Taz zufolge sprach die Leitung des Jugendzentrums am 7. November ein Hausverbot gegen die Cafébetreiber aus. Am 11. November sagte Maren Uschkurat, die Rathaussprecherin der Stadt, der Zeitung dem zeitweiligen Rauswurf habe ein »Missverständnis« innerhalb der Verwaltung zugrunde gelegen.

Über Lieder wie »Linksradikale« und »Kantholz« von Egotronic kann die sich selbst als Opfer bemitleidende entkultivierte Mitte gar nicht lachen. Mit den entsprechenden Musikvideos löste die Band heftige Reaktionen aus. In »Kantholz« gibt Egotronic-Sänger Torsun Burkhardt in der vermeintlich gemäßigten Mitte geläufige Phrasen wieder: »Kein Rechtsruck, nirgends, was wollt ihr mir erzählen? Demokratie muss so was aushalten können. Man muss auch mal das Pro und Contra zu Seenotrettung diskutieren, um wirklich jeden in den Diskurs zu integrieren.«

In diesem Milieu jammerte man auch schon 2017, als Sibylle Berg in ­ihrer Kolumne auf Spiegel Online schrieb: »Vielleicht ist der Schwarze Block, die jungen Menschen der Antifa, die Faschisten mit dem einzigen Argument begegnen, das Rechte verstehen, die einzige Bewegung neben einem digital organisierten Widerstand, die eine Wirkung hat. Es wird nichts mehr von alleine gut. Die Regierung wird uns nicht retten. Allein eine Neudefinition des Begriffs linker Aktivismus kann den Schwachsinn des Hasses und der Menschenverachtung stoppen.«

Die Verantwortung den offiziell Verantwortlichen zu überlassen, wäre verantwortungslos. Im November entzog das Berliner Finanzamt der »Vereinigung der Verfolgen des Naziregimes – Bund der Antifaschisten« die Gemeinnützigkeit. Einmal mehr entpuppte sich die Behauptung vom »antifaschistischen Grundkonsens« als das, was sie ist: falsch.