Ein Gespräch mit Charlotte Nzimiro, die eine Petition gegen die Benutzung des Wortes »Neger« gestartet hat

»Schlag ins Gesicht«

Kürzlich urteilte das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern, ein Ordnungsruf des Landtagspräsidiums gegen den AfD-Fraktions­vorsitzenden Nikolaus Kramer habe unter anderem gegen dessen Rederecht und damit gegen die ­Landesverfassung verstoßen. Kramer hatte in einer Debatte zum Thema »Leistungsmissbrauch verhindern: Sachleistungen für Asylbewerber und Ausreisepflichtige« mehrfach das Wort »Neger« verwendet. Die Studentin und Selbständige Charlotte Nzimiro startete anlässlich des Urteils eine Petition auf change.org. Die Jungle World hat mit ihr gesprochen.
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Warum haben Sie die Petition gestartet?

Ich denke, das Urteil des Landesverfassungsgerichts ist ein immenser Rückschritt für unsere Gesellschaft. Wir Schwarze werden so oft mit dem N-Wort konfrontiert, meist in einem negativen Zusammenhang. Für uns hat dieser Begriff absolut nichts Positives. Da war es ein Schlag ins Gesicht, dass ein Landesverfassungsgericht urteilt, der Begriff könne zwar eine negative Bedeutung haben, letztlich komme es aber auf den Kontext an. Der Kontext kann für uns Schwarze nie positiv sein. Das Urteil könnten Leute als Präzedenzfall heranziehen, wenn sie jemanden so betiteln und die Person sie anzeigt. Sie könnten sich darauf berufen, dass der Kontext ein anderer gewesen sei, als die beleidigte Person behauptet habe, sie es also gar nicht so gemeint hätten, wie es verstanden worden sei.

Wäre die Verwendung des Wortes auch im Kontext einer Studie über Rassismus im deutschen Kaiserreich abwertend?

Wenn man eine wissenschaftliche Studie verfasst, kann man die Person zitieren, die das Wort damals verwendet hat. In diesem Zusammenhang ist die Verwendung des Ausdrucks schlüssig. Falsch wäre es, wenn jemand heutzutage das N-Wort benutzt, und sagt: »Ich meine das ja gar nicht negativ.« Mittlerweile ist bekannt, welche Geschichte hinter dem Wort steckt. Im Kaiserreich waren schwarze Menschen offiziell Menschen zweiter Klasse – wenn überhaupt.

Was ist das Ziel der Petition?

Die Petition hat bereits das Ziel erreicht, das Problem der schwarzen community mit Alltagsrassismus weiter ans Licht zu bringen. Wünschenswert wäre, dass die Petition es in den Bundestag schafft und der Begriff »Neger« als eine Beleidigung eingestuft wird.

Das heißt, Sie verfolgen mit der Petition auch ein konkretes juristisches Ziel?

Ja. Ansonsten wären das alles nur leere Worte. Wenn wir schwarz auf weiß hätten, dass das Wort eine rassistische Beleidigung ist, wäre das ein Zeichen dafür, dass der Staat Rassismus nicht duldet.

Duldet der Staat Rassismus?

Es gibt immense Defizite. Diese sind unter anderem darin begründet, dass die afrodeutsche Geschichte nicht in der Schule behandelt wird, also dass beispielsweise der Völkermord an den Herero und Nama, Menschenzoos und schwarze Opfer der NS-Zeit in Deutschland gar nicht bis kaum thematisiert und nicht aufgearbeitet ­werden. Da ist es schwer, Menschen klarzumachen, dass der Begriff rassistisch und negativ behaftet ist. Wenn der Staat über diese ­Geschichte besser aufklären würde, könnten Menschen besser nachvollziehen, dass bestimmte Dinge rassistisch und zutiefst verletzend sind.

Hat sich die Situation schwarzer Menschen in Deutschland in den vergangenen Jahren verändert?

In unserer community passiert viel. Es wäre schön, wenn auch außerhalb mehr passieren würde, zum Beispiel, wenn nicht immer nur ein negatives Bild von Afrika gezeichnet oder mit mehr Verständnis auf unsere Bedürfnisse eingegangen würde. In Deutschland wird man als Schwarzer oftmals immer noch wegen der Hautfarbe diskriminiert, gefragt, wann man zurück nach Afrika gehe, oder die Leute sind schockiert darüber, dass man akzentfreies Deutsch spricht. Das sind für uns keine Kleinigkeiten, das ist verankerter Alltagsrassismus.