Bittere Ernte
»Ach, kleines Nicaragua, so stolz und so bedroht, noch brauchst du fremde Hilfe, sonst wär’ bald eine Hoffnung tot«, reimte der DDR-Liedermacher Gerhard Schöne Mitte der achtziger Jahre. Die sandinistische Revolution in dem zentralamerikanischen Land regte zu linker Kitschproduktion und tatkräftiger Hilfe an: Tausende Linke ernteten in Solidaritätsbrigaden Kaffee in Nicaragua, darunter auch der Gewerkschaftler Matthias Schindler. Er hat nun ein Buch geschrieben, in dem er mit dem »orteguistischen Regime« abrechnet. So nennt er die Machtclique um das Ehepaar Daniel Ortega und Rosario Murillo Zambrana. Anlass für Schindlers Abrechnung waren die blutig niedergeschlagenen Proteste im April und Mai 2018 in Nicaragua. Der Autor setzt sich argumentativ mit den Linken auseinander, die noch immer unverbrüchlich zu Ortega stehen, und weist nach, dass es sich bei den Aufständen keineswegs um einen von der USA gesteuerten Putsch handelte, wie aus Regierungskreisen verlautbart wurde.
Schindler rekapituliert die Geschichte der sandinistischen Bewegung und verteidigt deren Ideale gegen die Realität im heutigen Nicaragua. Als Linker rechnet er mit einer Regierung ab, die eine kapitalistische Wirtschaftspolitik betreibt und ihre Kritiker kriminalisiert.
Es ist erfreulich, dass einer der vielen, die früher einmal Nicaragua unterstützt haben, sich jetzt zu Wort meldet, um linke Positionen zu verteidigen. Dabei bezieht sich Schindler auch auf Texte des historischen Sandinismus. So heißt es in einer Erklärung von 1979: »Demokratie beginnt und endet auch nicht mit der Abhaltung von Wahlen. Demokratie beginnt im wirtschaftlichen System, sobald es damit anfängt, die sozialen Ungleichheiten abzubauen.« An diesem Anspruch wären auch die linken Kritiker des Orteguismus zu messen, die sich oft nur auf faire Wahlen unter internationaler Aufsicht konzentrieren und von kapitalistischen Machtverhältnissen schweigen.
Matthias Schindler: Vom Triumph der Sandinisten zum demokratischen Aufstand. Nicaragua 1979–2019, Verlag Die Buchmacherei, Berlin 2019, 174 Seiten, 10 Euro
