Kurzer Prozess
Das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump ist ein erstes Scharmützel im beginnenden Wahlkampf. Die Demokraten prangern bei den derzeitigen Anhörungen im Senat den Präsidenten als korrupt an. Die Republikaner werfen ihnen dagegen vor, das amerikanische Volk entmündigen zu wollen. Die Meinungen über das Verfahren klaffen weit auseinander.
Für die Senatoren gilt eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht, den ganzen Tag, sechs Tage pro Woche.
Obwohl niemand daran glaubt, dass Trump tatsächlich seines Amtes enthoben werden kann – dazu wäre im Senat eine Zweitdrittelmehrheit notwendig –, hoffen die Demokraten nur wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl noch immer auf peinliche Enthüllungen, die nicht nur Trump, sondern auch seiner Partei schaden könnten. Das ist auch der Grund, warum die Republikaner das Verfahren beschleunigen wollen. Mitch McConnell, der republikanische Mehrheitsführer im Senat, möchte bereits Ende Januar oder Anfang Februar abstimmen lassen. »Ich hoffe, dass es ein kurzer Prozess wird«, so McConnell. Denn bei der republikanischen Basis ist Trump bislang noch über alle Maßen beliebt. Einer Umfrage des Politikmagazins The Hill vom 4. Januar 2020 zufolge stehen 90 Prozent der befragten Republikaner hinter Trump. Sie wollen, dass die Partei den Präsidenten bedingungslos unterstützt.
In seinem fast zweieinhalbstündigen Eröffnungsplädoyer im Plenarsaal des Senats fand Adam Schiff, demokratischer Leiter des Anklageteams, klare Worte. »Präsident Trump bat um ausländische Einflussnahme auf unsere Wahlen und missbrauchte dabei die Macht seines Amtes«, so Schiff am 22. Januar. »Und als er dabei ertappt wurde, nutzte er die Macht dieses Amtes um die Ermittlung der Umstände seines Fehlverhaltens zu behindern.« Schiffs Argumente werden durch die bisher bekannten Fakten untermauert. Dazu zählen unter anderem die Mitschrift eines Telefonats zwischen Trump und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vom 25.Juli 2019 sowie der anschließende Bericht eines anonymen Whistleblowers vom 12. August 2019. Bei den Anhörungen im US-Kongress im Oktober bestätigten zahlreiche Zeugen die Ereignisse, unter anderem die ehemalige US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch. Erst kürzlich veröffentlichte der Geschäftsmann Lev Parnas, einer von Trumps ehemaligen Vertrauten in der Ukraine, ein belastendes Video, das er offenbar heimlich bei einem Essen mit dem Präsidenten im April 2018 aufgenommen hatte. Gegen Ende des Videos fragt Trump: »Wie lange würden sie (die Ukraine) in einem Kampf mit Russland durchhalten?« Eine nicht identifizierte Person antwortet: »Ohne uns nicht sehr lang.« Trump befiehlt kurz darauf, man solle die damalige Botschafterin Yovanovitch zurückberufen, denn sie stehe im Weg. »Werdet sie los«, sagt Trump im Video. Ein Jahr später wurde Yovanovitch nach Washington zurückbeordert.
Nur allzu gerne würden daher die Demokraten auch Zeugen wie John Bolton hören. Trumps ehemaliger nationaler Sicherheitsberater, der angeblich die Ukraine-Affäre einen »Drogendeal« nannte, hat mittlerweile ein Buch über das Thema geschrieben. Über sein Manuskript wurde in der New York Times berichtet, dies wurde wohl auch im Weißen Haus aufmerksam verfolgt.
Die Republikaner betrachten aber auch dies gelassen. Man ist an das Verhalten des Präsidenten gewöhnt, da ändern anscheinend auch die brisanten Enthüllungen der vergangenen Wochen nichts. Am 2. Januar 2020 veröffentlichte die investigative Website Just Security im Rahmen des Verfahrens freigegebene E-Mails. Sie bestätigen Trumps Einflussnahme auf das Office for Management and Budget (OMB), das für die Bereitstellung der Militärhilfe verantwortlich ist. »Klare Anweisung vom Präsidenten, weiter vorzuenthalten«, heißt es in einer E-Mail an das Pentagon. Am 16. Januar veröffentlichte das U.S. Government Accountability Office (GAO) – der dem Kongress unterstellte Rechnungshof – einen neunseitigen Bericht, der Trumps Vorgehen als rechtswidrig einstuft: »Die ordnungsgemäße Umsetzung des Gesetzes erlaubt es dem Präsidenten nicht, die vom Kongress in Kraft gesetzten politischen Prioritäten durch seine eigenen zu ersetzen«, steht auf Seite eins.
Die Beweislage scheint also klar zu sein: Auf Anregung seines Anwalts Rudolph Giuliani knüpfte Präsident Trump Militärhilfe im Wert von 391 Millionen Dollar für die Ukraine an eine Scheinuntersuchung gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter Biden. Giuliani selbst hatte, wie die New York Times am 8. Dezember 2019 berichtete, derartige Scheinuntersuchungen bereits in seiner ersten Amtszeit als Bürgermeister von New York City gegen seine politischen Rivalen genutzt.
All das scheint den Anhängern Trumps allerdings egal zu sein. Sie wittern eine Verschwörung. Angeheizt werden sie dabei vom Fernsehsender Fox News und rechten Websites. Pat Cipollone, einer von Trumps Anwälten bei den Senatsanhörungen, behauptete, die Demokraten wollten »die Ergebnisse der letzten Wahl zunichte machen«. Und das, so Cipollone, kurz vor dem Ende von Trumps erster Amtszeit. »Lassen Sie die Menschen selbst entscheiden«, forderte er. Die republikanischen Senatoren haben zwar am 21. Januar vor dem Obersten Bundesrichter John Roberts einen Unabhängigkeitseid geschworen, doch sie wirken davon bislang weitgehend unbeeindruckt. Trump, so heißt es von seiner Partei, wolle gegen Korruption in der Ukraine vorgehen, und wenn nicht, dann sei sein Verhalten trotzdem in Ordnung.
Immer wieder schwänzen republikanische Senatoren für ein paar Minuten die langwierigen Anhörungen, um frische Luft zu schnappen und ihre Sicht der Dinge vor laufenden Fernsehkameras darzustellen, wohl auch, weil das Verfahren bereits Teil des Wahlkampfs geworden ist.
Im Plenarsaal geht der Prozess indes weiter. Für die Senatoren gilt eine grundsätzliche Anwesenheitspflicht, den ganzen Tag, sechs Tage in der Woche. Mobiltelefone und elektronische Geräte sind untersagt, ebenso wie die meisten Getränke. Nicht einmal Kaffee darf getrunken werden, nur Wasser und Milch sind erlaubt. Manche Senatoren haben Gummispielzeuge dabei, die sie mit der Hand quetschen, um Stress abzubauen, andere schlafen, wieder andere lesen heimlich Bücher. Allein Mitch McConnell sitzt aufrecht und reglos in der ersten Reihe und starrt jeden Redner gebannt an. Es ist seine Art der psychologischen Kriegsführung.
Auch drei Demokraten wollen die Sache vermutlich möglichst schnell hinter sich bringen. Bernie Sanders, Elizabeth Warren und Amy Klobuchar sind als Senatoren ebenfalls zur Anwesenheit verdonnert, statt weiter Wahlkampf machen zu können. Dabei sind die Vorwahlen im entscheidenden Bundesstaat Iowa bereits für den 3. Februar angesetzt. Für die Demokraten ist der Versuch der Amtsenthebung ein gewagtes Unterfangen. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die Präsidentschaftswahl in sieben swing states entschieden: Pennsylvania, Wisconsin, Michigan, New Hampshire, Florida, Nevada und Arizona. Obwohl Trump in Umfragen nach wie vor schwächelt (siehe Seite 5), ist er besonders im Mittleren Westen noch gut im Rennen. So ergab eine Umfrage der Marquette University vom November 2019, dass 53 Prozent der Wählerinnen und Wähler in Wisconsin eine Amtsenthebung ablehnten, nur 40 Prozent sind dafür. Kein Wunder also, dass Trumps Anwälte das Verfahren als einen Angriff verrückter Linker auf den Präsidenten und seine Unterstützer darstellen. Die Strategie könnte funktionieren.
Bei den nächsten Wahlen wird nicht nur entschieden, wer im Oval Office sitzt, auch die Mehrheit im 100-köpfigen Senat ist umkämpft. Die Republikaner müssen 23 Sitze verteidigen, die Demokraten zwölf. Wer die Mehrheit im Senat erringt, kann die Politik des Präsidenten, wer auch immer es sein mag, für die nächsten zwei Jahre lang weitgehendblockieren. Für moderate Republikaner wie Susan Collins aus Maine, Lisa Murkowski aus Alaska und Cory Gardner aus Colorado könnte der Wahlkampf hart werden. Er wird mit unangenehmen Abstimmungen in Washington sicherlich nicht einfacher werden. Auch einige demokratische Senatoren aus konservativen Bundesstaaten werden sich gut überlegen, wie sie am Ende abstimmen. Zwar mag das Senatsurteil zur Amtsenthebung Trumps bereits feststehen, doch das Urteil der Wählerinnen und Wähler kann zurzeit noch niemand vorhersagen.